Cesaria Evora

Dez 01, 1999 at 00:00 2091

Biografie, CD Café Atlantico und ihr Konzert in Zürich

Die Sängerin und Grammy-Gewinnerin Cesaria Evora (27.8.1941-17.12.2011) ist heute im Alter von 70 Jahren an einer akuten, schweren Herz- und Atemschwäche in einem Spital auf der Insel Kap Verde verstorben. Sie hatte bereits im März 2008 einen Schlaganfall erlitten. 2010 war sie in Paris am offenen Herzen operiert worden [hinzugefügt am 17. Dezember 2011].

Artikel vom Dezember 1999, aufdatiert am 10. Mai 2007
Ihre neue CD Café Atlantico (Amazon.de, Amazon.com.) hat die Sängerin Cesaria Evora ihrer Heimatstadt Mindelo auf der kapverdischen Insel São Vicente gewidmet. Die ehemalige portugiesische Kolonie verbindet kulturell vieles mit Brasilien, aber auch manches mit dem benachbarten Cuba. So lag es auf der Hand, dass Cesaria Evora eine CD mit kubanischen Musikern und der Hilfe des brasilianischen Cellisten und Arrangeurs Jaques Morelenbaum (bekannt durch den Soundtrack zum Film Central do Brasil) aufnahm.

Der in Paris lebende Kapverdianer José da Silva, der vor vielen Jahren Cesaria Evora „entdeckte“ und seither produziert, hat auf den Alben der Sängerin die Akkustik der Pianos und Cavaquinhos aus den Bars von Mindelo wiederbelebt. Auf Café Atlanticosind Klassiker aus Cesaria Evoras Jugend wie Vaquinha Mansa oder Terezinha, neben den fast schon zu Tode gesungenen karibischen Schnulzen wie Besame Mucho und Maria Elena zu hören. Das in Paris und Havanna produzierte Album steht in angenehmem Kontrast zur Keyboard- und Drum-Computer-Musik, die heute das Nachtleben in den Bars der Kapverdischen Inseln dominiert. Gitarre, Cavaquinho, Piano, Geige und Bass begleiten zusammen mit hin und wieder eingesetzten leichten Bläsern die Stimme der Sängerin. Kapverdische Klänge, zwei Mornas, brasilianische Rhythmen und zarte Klänge der westafrikanischen Kora geben Café Atlantico ein buntes und abwechslungsreiches Flair. Im Oktober 1998 hat Cesaria Evora, die viel Biographisches in ihre Musik einfliessen lässt, den internationalen Musikpreis der UNESCO erhalten. Damit wurde eine Karriere belohnt, die eigentlich erst nach ihrem 50. Geburtstag überregional begann, obwohl sie bereits als 17jährige in den Bars ihrer Heimatinsel São Vicente auftrat.

Im Vorprogramm ihres ausverkauften Konzertes im Volkshaus Zürich vom 30. November 1999 trat die junge unbekannte, gemäss meiner Nachbarin kolumbianische Sängerin Leyanis Lopez auf, die Liebeslieder, traurige Balladen abwechselnd mit volkstümlicher Tanzmusik zum besten gab. Ihr fehlt (noch?) das spezifische Timbre, die unverwechselbare Stimme. Das Publikum verhielt sich trotzdem freundlich, zeitweise fast begeistert. Die Sängerin verlor so langsam die Scheu, die allerdings auch auf ihr Programm naiver, einfacher Volksmusik, die von Liebe, Enttäuschung und Illusionen handelt, zurückzuführen war. Die Zugabe nach 45 Minuten liess durchscheinen, dass sie Temperament und durchaus noch andere Klänge im Repertoire hat.

Die 1941 geborene Cesaria Evora trat nach einer zu langen (30minütigen) Pause in Begleitung von Piano, Geigen, Gitarren, Bass, Perkussion und Saxophon auf. Sie begann mit Saudade, melancholischen Klängen, für die sie bekannt und berühmt ist. São Vicente und weitere traurige, dem Fado ähnliche Balladen folgten. Bis dahin war der Sound eher von mittelmässiger Qualität, das Orchester überzeugte trotz begeistert Beifall klatschendem Publikum nicht. Auch das an siebter Stelle folgende erste auf spanisch vorgetragene Lied bleib mässig. Erst danach, als das Saxophon zum Einsatz kam und die Musik lebhafter wurde, begann das Orchester zu überzeugen. Ein Geigensolo sowie die Aufforderung an das Publikum, mitzumachen, brachten Stimmung ins Volkshaus. Die scheue Cesaria Evora ist alles andere als eine Performance-Künstlerin. Meine Nachbarin meinte dazu, Evoras Balladen seien als Musik zu einem Glas Wein am besten, worauf ich nicht umhin kam zu antworten, dass die Musik wohl erst nach zwei Gläsern Wein wirke.

Mit verkleinertem Orchester sang Cesaria Evora unterdessen erneut von Saudade São Vicente und zupfte verlegen an ihrem Kleid. Während dem darauffolgenden, wieder wärmeren Stück, begann sie aus für uns unklaren Gründen mit ihrem Pianisten zu schimpfen. Was immer auch der Grund gewesen sein mag, die Kommunikation zwischen Sängerin und Musikern schien uns nie sehr innig. Doch in der Folge wurde das Orchester immer besser. Nachdem Cesaria Evora die Musiker vorgestellt hatte, nahm sie eine Auszeit, setzte sich auf den Stuhl neben dem Tischchen auf der Bühne und gönnte sich eine Zigarette – in Amerika heute wohl undenkbar. Die kubanischen Musiker sorgten derweil alleine für Stimmung. Im mit Evora folgenden – nicht spanisch gesungenen – Tango überzeugten sie weiterhin. Bis zum Schluss hielten sie das Niveau hoch, auch wenn es erneut galt, Cesaria Evora in Saudade-Balladen zu begleiten. Allgemein dürfte der Eindruck allerdings nicht getäuscht haben, dass den Kubanern fröhliche, ausgelassene Musik mehr lag als introspektive, traurige Balladen. Als Zugabe folgte u.a. das unumgängliche Besame Mucho sowie erneut – und mit tanzendem Publikum – São Vicente o Brasileiro. – Cesaria Evora MP3 Downloads.

Hinzugefügt am 10. Mai 2007
Der Schreibende stolpert beim Aufdatieren des Seitendesigns über den unten stehenden Leserbrief. Der Artikel wurde mit Hilfe der Begleitinfos des Labels geschrieben, in dem tatsächlich von „kubanischer (sic) Morna“ die Rede war. Die Infos hätte ich natürlich Überprüfen sollen. – Es mag zwar keine kubanische Morna und keinen japanischen Flamenco geben, es gibt jedoch finnischen Tango [eingefügt am 25.9.2007: So ist zum Beispiel das Tangofestival in Seinäjoki mit über 100’000 Besuchern das grösste finnische Musikfestival, und die Filme von Aki Kaurismäki werden oft mit finnischem Tango untermalt]. Da die Morna der Kapverden dem portugiesischen Fado mit seiner Saudade und der brasilianischen Modhina nahe verwandt ist, lag es durchaus im Bereich des Möglichen, dass es eine kubanische Form der Morna gibt. Morna soll übrigens vom englischen mourn (trauern, beklagen) abgeleitet sein. – Dass Qualm lästig ist und unnötige Pausen ebenso, muss nicht weiter erklärt werden. – Die Kritik bezog sich nicht auf Cesária Évora, sondern auf den Veranstalter sowie auf die Begleitmusiker, die weniger an der Morna als vielmehr an heissen kubanischen Rhythmen interessiert waren, auf die das Publikum sofort – zum offensichtlichen Ärger von Cesária Évora – ansprach. Doch um das zu verstehen, hätte man im Konzertsaal sitzen müssen.

Zu dieser Konzertkritik hat uns folgender Leserbrief von Reiner Ehrentraut, Bonn, 24.1.2000 erreicht:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

seit wann bitte singt Cesaria Evora Fado-Balladen und was eigentlich ist die kubanische Morna? Nun, diese durch den – bedauerlicherweise namentlich nicht genannten – Autor des o. g. Cosmopolis-Beitrags aufgeworfenen Fragen lassen sich nach sorgfältiger Recherche mühelos eindeutig beantworten, und zwar wie folgt: die Evora singt keine Fado-Balladen und kubanische Morna existiert ebensowenig, wie beispielsweise japanischer Flamenco.

Teile des Cosmopolis-Beitrags verwundern doch sehr. Über die beim Autor vorhandene und nunmehr von Cosmopolis verbreitete Unkenntnis könnte man ja mit Wohlwollen hinwegsehen, wäre da nicht der unverschämte und eindeutig unter die Gürtellinie zielende Hinweis, dass die Musik der Cesaria Evora und ihrer Begleitband erst dann wirkt, wenn man seine Sinne mit einer gewissen Menge Rebensaft vernebelt hat. Sollten die Musikliebhaber, die bisher weltweit für ausverkaufte Häuser sorgten, sich während des jeweiligen Konzertbesuches etwa alle alkoholisiert haben, um schließlich von der Stimme der Evora und der kapverdischen Musik begeistert zu sein? Diese Frage berührt selbstverständlich auch ihre im Zeitraum September/Oktober 1999 erfolgreich durchgeführte Tournee durch die USA und Kanada. Wie zu vernehmen war, musste die Evora doch tatsächlich auch hier – selbst auf der Bühne – häufig mit einer Zigarette gesehen worden sein!  Da der Autor des Beitrags überzeugter Nichtraucher zu sein scheint – im übrigen ebenso wie ich -, erlaube ich mir auch deshalb, folgende Empfehlung abzugeben: Wenn ihm die Musik der Evora nicht zusagt, steht es ihm selbstverständlich zu, dies auch in (Cosmopolis-) Magazinen zu veröffentlichen, allerdings sollte dabei aus Gründen der Fairness auf Gehässigkeiten verzichtet werden. Anderenfalls wird man dieser grossartigen Künstlerin und ihren Musikern nämlich nicht gerecht. Um das deutlich zu machen, übersende ich die folgenden Beiträge aus Bonner Tageszeitungen mit Berichten [12.7.99 Bonner Generalanzeiger und Bonner Rundschau]) über das Evora-Konzert am 11. Juli 1999 in Bonn. Danach mag sich jeder die Frage beantworten können, wer von allen am 30. November im Volkshaus Zürich einen „schlechten Tag“ erwischt haben muss. Jedenfalls kann ich aufgrund der betreffenden Angaben im Cosmopolis-Beitrag nur schliessen, dass für den Autor der unfassbare, öffentlich vollzogene Nikotinkonsum und insbesondere die „ärgerliche“ 30-Minuten-Pause ja dann doch erheblich zu viel gewesen sein müssen – das allerdings kann nun in der Tat niemanden überzeugen!

Mit freundlichen Grüssen
Reiner Ehrentraut, Bonn

PS
Der Autor mag sich selbst noch einmal fragen, ob die vielen der im Überfluss vorhandenen sogenannten Performance-Künstler mit Starallüren eigentlich nicht schon ausreichen? –  Dank an die Evora, dass sie auf der Bühne durch nichts anderes als ihre Kunst glänzt.“

Cosmopolis zur Konzert-Kritik: Tatsächlich sollte z.B. nicht stehen, dass Cesaria Evora Fado-Balladen sang, sondern von Fado und Morna beeinflusste Musik. Was den Rest angeht: die Geschmäcker sind verschieden (wobei unser Artikel kein totaler Verriss ist).

Am 27. Juni 2002 hinzugefügt. Cesaria Evora: Anthologie. mornas & coladeras. Doppel-CD. BMG, 2002. CD bestellen bei Amazon.de oder Amazon.com. CD 1 mit 15 Mornas, CD 2 mit 17 Coladeras. – Cesaria Evora MP3 Downloads.

Am 27. Juni 2002 hinzugefügt: Cesaria Evora: Anthologie. BMG, 2002. CD bestellen bei Amazon.de. Obwohl das Cover abgesehen vom Titelzusatz mit der obigen Doppel-CD identisch scheint, handelt es sich hier um ein anderes Album mit 16 Songs. – Cesaria Evora MP3 Downloads.

Cesaria Evora: Café atlantico. CD bestellen bei Amazon.de und Amazon.com.

Sao Vicente di Longe (Chlodwig/BMG, April 2001) bestellen bei Amazon.de.

Auf DVD: Cesaria Evora – Live in Paris. DVD bestellen bei Amazon.de oder Amazon.fr. Cesaria Evora MP3 Downloads.