Peru – die Regierung von Alejandro Toledo

Jul 29, 2001 at 00:00 2205

Biographie des peruanischen Präsidenten - Resultat der Parlamentswahlen 2001 - Peru nach den Wahlen 2001 - Kabinettsliste.

Roberto Dañino: Presidencia del Consejo de Ministros
Pedro Pablo Kuczynski: Ministerio de Economía y Finanzas
Carlos Bruce: Ministerio de la Presidencia
David Waisman: Ministerio de Defensa
Fernando Ropigliosi: Ministerio del Interior
Fernando Olivera: Ministerio de Justicia
Diego García Sayán: Ministerio de Relaciones Exteriores
Luis Chang Reyes: Transportes y Comunicaciones
Raúl Diez Canseco: Ministerio de Industria
Fernando Villarán: Ministerio de Trabajo y Promoción Social
Nicolás Lynch: Ministerio de Educación
Luis Solari: Ministerio de Salud
Jaime Quijandría: Ministerio de Energía y Minas
Alvaro Quijandría: Ministerio de Agricultura
Javier Reátegui Roselló: Ministerio de Pesquería
Luz Doris Sánchez: Ministerio de Promoción de la Mujer y del Desarrollo Humano

Resultat der Parlamentswahlen vom 8. April 2001:

Partei Stimmen % der gültigen Stimmen Sitze
Peru Posible (PP) 2,477,624 26.3% 41
Partido Aprista Peruano (APRA) 1,857,416 19.7% 29
Unidad Nacional 1,304,037 13.8% 15
Frente Independiente Moralizador (FIM) 1,034,672 11.0% 12
Union por el Peru (UPP) 390,236 4.1% 6
Somos Perú -Causa Democráctica (SP) 544,193 5.8% 4
Cambio 90/Nueva Mayoria 452,696 4.8% 4
Acción Popular (AP) 393,433 4.2% 3
Andere 967,342 10.3% 6


Alejandro Toledo 2001 in Jerusalem. Photo:  Michael Thaidigsmann / Wikimedia Commons.

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Biographie von Alejandro Toledo
 
Nachdem ihm letztes Jahr Alberto Fujimori durch Betrug den Wahlsieg vorenthalten hatte, dieser aber nach Protesten weiter Teile der Bevölkerung das Land verlassen musste, gelang es Alejandro Toledo im Jahr 2001 doch noch, vom peruanischen Volk ins Präsidentenamt gewählt zu werden. Dazu bedurfte es allerdings zweier Wahlgänge. Erst am 3. Juni 2001 schlug Toledo den Linkspopulisten Alan Garcia vom Partido Aprista Peruano (APRA) mit dem erstaunlich geringen Vorsprung von lediglich 52.5% zu 47.5% – fast unglaublich, wenn man bedenkt, dass Garcia als Präsident von 1985 bis 1990 das Land fast komplett ruiniert hatte.

Der 55jährige Alejandro Toledo ist ein Mann mit indianischem Blut und stammt aus einfachsten Verhältnissen. Er wurde 1946 in Cabana, im Departement Ancash in der Provinz Pallasca, geboren und wuchs in Chimbote auf, wohin die Bauernfamilie in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft an der nordperuanischen Küste gezogen war.

Er studierte an der G.U.E. San Pedro, wo er einige Literaturwettbewerbe der Schule gewann. Er wurde zum Korrespondenten von La Prensa in Chimbote, für die er Politiker wie General Odría, Haya de la Torre und Belaúnde interviewte.

Auf Grund seiner schulischen Leistungen erhielt Toledo ein Stipendium, das es ihm erlaubte, an der Universität von San Francisco in Kalifornien Wirtschaft zu studieren. Nach dem Abschluss ging er an die Universität von Stanford, wo er mit einem Doktorat (PhD) in Wirtschaft und Human Resources.

Danach arbeitete Toledo für die UNO, die Weltbank, den BID, das OIT in Genf und die OCDE in Paris. Er ist ordentlicher Professor am ESAN und war von 1991 bis 1994 als Wirtschaftsforscher für Internationale Entwicklung in Harvard tätig. Toledo war auch als Gastprofessor an der Universität Waseda und der Japan Foundation in Tokio tätig. Zu seinen Publikationen gehören Werke zum Wirtschaftswachstum und zu Strukturreformen. In seinem neuesten Buch, Las Cartas sobre la Mesa, beschriebt er seinen politischen Weg, der ihn zur Gründung des Partido Perú Posible führte, an dessen Spitze er die Präsidentenwahl gegen Fujimori gewann.

Toledo ist mit der belgischen Anthropologin Eliane Karp verheiratet, die im Gegensatz zu ihm auch Quechua spricht. Im Wahlkampf hetzte sie populistisch und rassistisch gegen das weisse Bürgertum, das sich in der Geschichte Perus allerdings nicht oft mit Ruhm bekleckert hat, weshalb politische Aussenseiter wie Fujimori und Toledo überhaupt erst Wahlchancen erhielten. Nicht so ganz zum volksnahen Stil des neugewählten Präsidentenpaares passt ihr offensichtlicher Hang zum Luxus. Sie passen geschickt ihre Auftritte ihrem jeweiligen Publikum an.

Toledo stand unter Verdacht, Wahlkampfspenden nicht korrekt abgerechnet, Prostituierte besucht und Kokain geschnupft zu haben. Zudem verweigerte er einen Vaterschaftstest, der allein den Gegenbeweis hätte erbringen können, dass er nicht der Vater von Zarai Orosco ist.

Toledos Wahl ist für viele Peruaner das kleinere Übel. Von ihm erwarten sie im Gegensatz zum unterlegenen Präsidentschaftskonkurrenten Alan Garcia keine abenteuerliche Wirtschaftspolitik. Allerdings führte Toledo einen populistischen Wahlkampf. Bald wird sich zeigen, ob dies einfach nötig war, um die peruanischen Massen zu gewinnen. Ein „seriöser“, aber blasser bürgerlicher Kandidat wäre wohl dem Linkspopulisten Alan Garcia von der APRA unterlegen. Doch es gibt ernsthafte Bedenken bezüglich Toledos Seriosität. Im Wahlkampf stilisierte er sich bereits mehrfach zum Nachfolger von Pachacútec. Die armen Indios, die zu Toledos treuen Wählern gehören, haben ihn „Pachacuti“ getauft. Das bedeutet Kataklysmus oder Zerstörer. Das war der Name, den der Inkaherrscher Yupanqui, der das Inkareich einst einte und vergrösserte, für sich gewählt hatte. Nachdem Toledo am 28. Juli 2001 den Verfassungseid in Lima abgelegt hatte, zog es ihn denn auch weiter nach Machu Picchu, wo er in der weltberühmten Ruinenstadt eine weitere Feier vollzog. Ist dies bereits der Beginn des Cäsarenwahns?

Peru nach den Wahlen 2001

Wie einst Fujimori, so tauchte auch Toledo aus dem politischen Nichts auf, um das Land zu führen. Toledos Partei Perú Posible besitzt im peruanischen Parlament lediglich über einen Drittel der Sitze. Um in dieser Situation eine konstruktive Politik durchsetzen zu können, ist er auf die Hilfe anderer Fraktionen angewiesen. Wie sein Konkurrent Garcia, so gab auch Toledo vollmundige Wahlversprechen ab, die er kaum wird einlösen können. Die in Armut lebende Mehrheit der Peruaner wird wohl bald erleben, dass auch Toledo nicht zaubern kann. Das Land steckt in einer bereits dreijährigen Wirtschaftsflaute.

Toledo selbst hat keine Exekutiverfahrung. Seine politische Qualifikation beschränkt sich auf drei Kandidaturen für das Präsidentenamt. 1995 scheiterte er erstmals an Fujimori – mit kläglichen 3% der Wählerstimmen.

Das Resultat der Parlamentswahlen vom 8. April 2001 zwang Toledo von vornherein, seine Regierung breit abzustützen. Tatsächlich stammen keine 20% seiner Minister aus seiner Partei. Es gehört allerdings auch kein Indio dem Kabinett an.

Zum Justizminister ernannte Toledo den Gründer, Chef und Präsidentschaftskandidaten des Frente Independiente Moralizador (FIM), Fernando Olivera, der die viertgrösste Parlamentsfraktion hinter sich hat. Olivera gebührt das Verdienst, das erste „Vladivideo“ aus den Archiven des Geheimdienstes an die Öffentlichkeit gebracht zu haben. Die grossangelegte Sammlung von kompromittierenden Videos des ehemaligen starken Mannes des peruanischen Geheimdienstes, Vladimiro Montesinos, trug entscheidend zum Sturz von Fujimori und seinem korrupten Regime bei.

Diego García Sayán gehörte bereits dem Kabinett der effizienten Übergangsregierung Paniagua an. Vom Justizministerium wechselt er nun ins Aussenministerium. Sayán ist ein parteiloser Jurist, der jahrelang die Andine Juristenkommission geleitet hat und kürzlich in die Interamerikanische Menschenrechtskommission der OAS gewählt worden war.

Keine Überraschung bildet Toledos Wahl von Pedro Pablo Kuczynski als Wirtschafts- und Finanzminister. Kuczynski hat polnisch-schweizerische Eltern und war in den letzten Jahren in den USA als Banker und Finanzexperte tätig. Er ist ein politisches Schwergewicht mit internationalen Kontakten, das im Ausland Vertrauen für Kredite und Direktinvestitionen schaffen soll.

Wie Kuczynski war auch der neu ernannte Kabinettschefs Roberto Dañino in der Regierung Belaunde von 1980 bis 1985 tätig. Beide sind neoliberal eingestellt. Dañino war über ein Jahrzehnt lang als Rechtsanwalt in Washington tätig, wo er Investitionsprojekte in der Andenregion betreute. Er gehörte einst zu den Gründern der Inter-American Investment Corporation, des privatwirtschaftlich orientierten Teils der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IADB).

Minister für Handel, Industrie, Tourismus und Integration wurde Toledos zweiter Vizepräsident, Raúl Diez Canseco. Der Unternehmer stammt aus der Acción Popular von Belaunde, die mit 4.2% der Wählerstimmen nur noch drei Parlamentsmandate zu erringen vermochte. Diez Canseco ist ein Geschäftspartner des früheren Wirtschaftsministers Carlos Boloña.

Mit der Wahl von David Waisman als Verteidigungsminister setzt Toledo erstmals in der Geschichte Perus einen Zivilisten an die Spitze der Armee. Waisman war Präsident der parlamentarischen Untersuchungskommission, die dem korrupten Treiben von Montesinos auf den Grund ging und die zweifelhaften Waffengeschäfte von Fujimori untersuchte.

Zum Innenminister berief Toledo den Journalisten Fernando Rospigliosi, der zu den Kritiker der ersten Stunde von Fujimori gehörte. Wie Toledo verfügt auch er über keine Exekutiverfahrung.

Toledo hatte im Wahlkampf den Peruanern vor allem mehr Arbeit versprochen. Immerhin sollen diese durch den privaten Sektor geschaffen werden. Doch versprach er nicht nur der Landwirtschaft, sondern praktisch allen Wirtschaftssektoren das Blaue vom Himmel herunter. Auf seiner Regierungsagenda stehen weitere Privatisierungen im Jahr 2002, die Förderung der Schulen, die Reduzierung des Heeres der Staatsangestellten, eine verstärkte Dezentralisierung, die Einhaltung der Menschenrechte, eine Armee ohne Korruption, eine unabhängige, effiziente Justiz, ebenfalls frei von Korruption, eine Reform der Verfassung mit der Abschaffung ihrer von Fujimori eingeführten autoritären Züge, der Kampf gegen den Drogenhandel und vieles mehr. Bald wird sich weisen, was Toledo umsetzen kann.

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Artikel vom 29. Juli 2001.