Klaus Kinski in Jess Franco’s Jack The Ripper (1976)

Jan 01, 2003 at 00:00 2010

Der Film nun auf DVD. Filmkritik und Infos zum Film.

Klaus Kinski hat in unzähligen B-Movies mitgespielt. Einer davon ist Jack The Ripper (1976; Amazon.de, Amazon.com) des Spaniers Jeff Franco, mit dem Kinski insgesamt vier Filme drehte. Der Kinostreifen dreht sich um den Mann, der im Herbst 1888 fünf Londoner Prostituierte auf bestialische Weise ermordet haben soll (zum Teil werden ihm noch weitere Morde zugesprochen).

Im Film von Jess Franco spielt Klaus Kinski den Arzt Dr. Orlof, der am Tag eine Praxis führt und sich für wenig bis kein Geld um arme Patienten kümmert. In der Nacht jedoch wird er zum Prostituiertenmörder.

Jack The Ripper wurde ohne Ton gedreht. Die Schauspieler sprachen zwar Dialoge, doch sie wurden nicht aufgenommen. In der Postproduktion wurden dann die englische und die deutsche Fassung synchronisiert, wobei zumindest die deutschsprachigen Schauspieler (wie Klaus Kinski, Herbert Fux, der Berliner Andreas Mannkopff oder die vielen Schweizer, darunter Esther Studer) die englischen Texte nicht selbst sprachen. Bei der deutschen Fassung dagegen ist z.B. Herbert Fux eindeutig an seinem Akzent erkennbar. Unter den Schweizern sei noch auf Dr. Orlofs Zimmervermieterin verwiesen: Es handelt sich um die Schauspielerin Olga Gebhard, die oft im Bernhard Theater zu sehen war. Sie ist u.a. in Der Mustergatte mit Walter Roderer zu sehen, einem wie Jack The Ripper von Erwin C. Dietrich produzierten Film.

Die DVD bietet eine restaurierte Fassung, die besser ist, als das, was die Kinobesucher 1976 zu sehen bekamen, nicht zuletzt auch, weil es sich um eine unzensurierte Version handelt. Der Film selbst ist kein Meisterwerk. Interessant an der DVD ist vor allem der Audio-Kommentar des Produzenten Erwin C. Dietrich, der mit Klaus Kinski später noch zwei Filme auf den Philippinen drehte: 1984 Code Name: Wild Geese (bestellen bei Amazon.de) und 1985 Kommando Leopard. Einzig 1985 habe der Star einen seiner berühmten Kinski-Anfälle gehabt, aber auch nur, als eine Kamera auf ihn gerichtet war. Daher sei er, Dietrich, gegenüber dem Portrait von Werner Herzog in Mein liebster Feind (bestellen bei Amazon.de) skeptisch. Dietrich trennt also die mediale Selbstinszenierung Kinskis klar von dessen am Set gezeigten professionellen Einstellung. Im Vertrag für Jack The Ripper standen für Kinski acht Stunden Arbeit pro Tag, doch habe er gemäss Dietrich oft zwölf bis dreizehn Stunden gearbeitet, ohne Murren und Forderungen nach mehr Geld. Wenn die Gage pünktlich bezahlt wurde, habe Kinski nie Probleme gemacht.

Während der Dreharbeiten wohnte Kinski gemäss Dietrich mit seiner dritten Gattin, der Vietnamesin Minhoi, im Hotel Waldhaus Dolder, wo sie kurz nach ihrer Ankunft ihren gemeinsamen Sohn Ninhoi gebar. Kurz danach zogen sie ins Grand Hotel Dolder, wo sie in der Turmzimmer-Suite wohnten, wo einst Thomas Mann an Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull geschrieben hatte.

Dietrich erläutert auch, wo und wie der Film gedreht wurde. In drei Tagen wurde einige stock shots in London geschossen, so von der Tower Bridge und der Scotland Yard-Tafel, um glaubwürdig darzustellen, dass der Film in der britischen Hauptstadt spielt. Doch eigentlich entstand der Streifen in Zürich, in der Zeit vom 2. Juni  bis am 22. Juni 1976. Es wurde hauptsächlich nachts gedreht. Eine gratis zur Verfügung gestellte Villa am Zürichberg, in der zuvor Landstreicher gehaust hatten, wurde für den Film als Studio hergerichtet. Gedreht wurde unter anderem an der Schanze, der aus dem Mittelalter stammenden Verteidigungsmauer der Stadt Zürich, im Schanzengraben, der als Themse herhalten musste, im damals beim Schanzengraben liegenden botanischen Garten, im Freiband, am Rindermarkt, im Kreuzgang des Fraumünsters sowie im Restaurant Theater am Neumarkt. Klaus Kinski drehte alle seine Szenen in sieben Tagen ab. Das Budget soll zwei Millionen Schweizerfranken betragen haben.

In seiner Eloge des Kinos von Jess Franco geht Produzent Dietrich soweit, im Spanier einen Vorläufer der Dogma-Filme wie Festen zu sehen. Zudem sei der Schlangentanz in Quentin Tarantinos From Dusk Till Dawn von Franco beeinflusst. Hierzu ist anzumerken, dass sich Tarantino in seinen Filmen tatsächlich und ausdrücklich beim Trash-Kino bedient hat bzw. davon inspirieren liess.

Der 1930 als Jesús Franco Manera in Madrid geborene Jess Franco drehte 1957 seine ersten Kurzfilme, 1958 den ersten Spielfilm. Bis heute sollen es weit über 150 (B-Movies) geworden sein, wovon 15 von Dietrich produziert wurden. Der europäische Ed Wood und König des Horror-, Science Fiction- und Erotik-Trashs, Jess Franco, arbeitete 1966/67 allerdings auch als second unit director für Orson Welles bei der Realisierung von Chimes At Midnight, auch bekannt als Falstaff. Zudem half Jess Franco in den frühen 1990er Jahren den Film Don Quijote von Orson Welles zu restaurieren und fertig zu stellen.

Jess Franco hat neben Jack The Ripper noch einen weiteren Film gedreht, in dem ein Dr. Orlof vorkommt, nämlich The Awful Doctor Orlof von 1962 mit Howard Vernon und Riccardo Valle (bestellen bei Amazon.deAmazon.fr oder Amazon.co.uk). Darin geht es allerdings um einen Arzt, der Showgirls entführt und verunstaltet im Versuch, die schlimmen Narben im Gesicht seiner Tochter zu beheben.

Gemäss dem Filmproduzenten Erwin C. Dietrich war Lina Romay, die 1954 als Rosa Maria Almirall in Barcelona auf die Welt kam, während den Dreharbeiten Jess Francos Muse und Freundin, später wurde sie seine Frau. Sie spielte in über 100 Filmen mit. In Jack The Ripper hat sie die Rolle einer Prostituierten, die von Jack ermordet wird (siehe nebenstehende Fotos).

Die zweitälteste Tochter von Charles Chaplin, Josephine Chaplin spielt in Jack The Ripper die Freundin von Inspektor Selby, Cynthia, von dem sie sich zu Beginn des Films vorübergehend getrennt hat. Doch dann versucht sie auf eigene Faust, ihrem Freund zu helfen. Sie begibt sich ins Rotlichtmilieu im Londoner East End, um Jack The Ripper ausfindig zu machen, und gerät dabei in Lebensgefahr. Josephine Chaplin hatte im richtigen Leben Ballettunterricht gehabt. In Jess Francos Film kann sie deshalb glaubwürdig in die Rolle der Ballett-Tänzerin Cynthia schlüpfen.

Jack The Ripper, 1976. Elite Film AG/VIP. In der Schweiz erfolgt der Vertrieb der VIP-Titel durch Evolution Entertainment AG. DVD bestellen bei Amazon.de, Amazon.com.

Regisseur: Jeff Franco.
Klaus Kinski – Doktor Orloff/Jack the Ripper
Andreas Mannkopff – Scotland Yard Inspector Selby
Josephine Chaplin – Cynthia
Herbert Fux – Charlie
Lina Romay – eine Prostituierte

Siehe zum Thema „Jack The Ripper im Film“ das Buch von Gary Coville und Patrick Lucanio: Jack The RipperHis Life and Crimes in Popular Entertainment. McFarland & Company, 1999, 203 S. Bestellen bei Amazon.deAmazon.com.

Artikel vom 1. Januar 2003