Rachel Ruysch

Dez 21, 2009 at 00:00 3814

Biografie, Leben und Werk 1664-1750

Am 3. Juli 2013 kommt bei Sotheby’s in London ein Blumenstillleben mit Insekten von Rachel Ruysch aus dem Jahr 1710 zur Versteigerung. Das Werk wird auf £1 Million bis £1,5 Millionen geschätzt. Es wurde vom schwerreichen Textilkaufmann Pieter De la Court van der Voort (1664-1739) direkt bei der Künstlerin in Auftrag gegeben, die damals laut Zeitzeugen nur zwei Stillleben pro Jahr malte, eines davon jeweils für den Kurfürsten von der Pfalz, Johann Wilhelm (1658-1716), deren Hofmaler sie war.

Der Kurfürst war mit Anna Maria Luisa de‘ Medici (11.8.1667-18.2.1743) verheiratet, der einzigen Tochter von Cosimo III und die letzte Vertreterin der Hauptlinie der Medici. Unter dem Paar erlebte Düsseldorf eine künstlerische Blüte, wovon unter anderem die Stillleben von Rachel Ruysch zeugen. [Hinzugefügt am 18. Juni 2013].

Rachel Ruysch: Biografie, Leben und Werk 1664-1750

1664 wurde im Haag die Stilllebenmalerin Rachel Ruysch als eines von zwölf Kindern eines wohlhabenden Ehepaares geboren. Als dreijähriges Mädchen zog sie mit ihren Eltern nach Amsterdam. Ihr Vater Frederick Ruysch (1638-1731) arbeitete dort als Anatomie- und Botanikprofessor und Direktor des botanischen Gartens. Die „wissenschaftliche“ Auseinandersetzung mit der Natur wurde ihr folglich fast in die Wiege gelegt. Neben Blumen, Früchten und Insekten zeichnete und malte sie früh auch Reptilien, angeleitet von ihrem Vater, einem Amateurmaler, der als Wissenschaftler der Beobachtung der Natur grosse Bedeutung beimass. Die Mutter von Rachel Ruysch war die Tochter des Architekten Pieter Post, der früher in seiner Karriere als Landschafts- und Schlachtenmaler gearbeitet hatte.

Die Familie Ruysch wohnte am Blumenkanal in Amsterdam (Bloemgracht). In derselben Strasse hatten sich auch Künstler wie der niederländische Stilllebenmaler Willem van Aelst (ab 1657) und der deutsche Maler Ernst Stuven (um 1657 – 1712), ein Schüler von van Aelst, niedergelassen.

Das malerische Talent von Rachel Ruysch wurde früh erkannt. Sie studierte ab ihrem 15. Altersjahr beim Delfter Willem van Aelst (1625/26 – um 1683) bis zu dessen Tod. Ihre jüngere Schwester, Anna Elisabeth Ruysch (1666 – nach 1741) studierte wohl ebenfalls bei van Aelst, dessen Einfluss in ihrem Werk noch stärker sichtbar ist als bei der begabteren Rachel. Einige Autoren spekulieren darüber, ob Anna lediglich von ihrer Schwester Rachel unterrichtet wurde, da ihr frühes Werk auch spezifische Eigenschaften von Rachels Malerei beinhaltet. Anna signierte ihre Werke nicht. Rund zehn sind heute bekannt. Die Zuschreibung ist naturgemäss schwierig. Von Rachels signierten Ölarbeiten hingegen haben rund einhundert überlebt; insgesamt soll sie rund 250 Gemälde geschaffen haben.

Der aus Rotterdam stammende Maler Willem van Aelst hatte sich in Italien weitergebildet und bei seiner Rückkehr in die Niederlande in Amsterdam niedergelassen. Er zeichnete sich Zeit seines Lebens durch die Pflege einer breiten malerischen Palette aus, die von Blumenstücken über tote Vögel und „ontbijtjes“ (mit Frühstücksstillleben nur annähernd umschrieben) bis zu Prunkstillleben reichte.

Laut Sam Siegel in Die Magie der Dinge war Rachel Ruysch in ihrem zwischen 1681 und 1700 entstandenen Frühwerk eindeutig von ihrem Lehrer Willem van Aelst beeinflusst. Wobei zu Beginn daneben noch der Einfluss von Abraham Mignon (1640-1679) und von Otto Marseus van Schrieck (1619/20-1679) durchscheint. Rachel Ruyschs Werk zeichnet sich durch die detailgetreue Abbildung von Pflanzen, Früchten und Insekten aus.

Laut Sam Siegel – in Die Magie der Dinge – war Rachel Ruysch wohl teilweise von Jacob van Walscapelle (1644-1727) inspiriert, einem Schüler von Cornelis Kick (1631/34-1681) in Amsterdam. Doch war die Tiefenwirkung durch die nach hinten abgedunkelten Objekte bei Ruysch konsequenter umgesetzt als bei Walscapelle. An Walscapelle erinnert bei Ruysch laut Siegel zudem die Anordnung bestimmter Blumen.

Doch Rachel Ruysch war eine eigenständige Malerin und wurde als solche auch anerkannt. Von 1708 bis 1716 diente sie dem Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz (1658-1716) in Düsseldorf als Hofmalerin. Der barocke Kurfürst (auch als Jan Wellem bekannt) war ein „geliebter Verschwender“, so der Titel der Biografie von Otto Wirtz (bestellen bei Amazon.de).

Ruschs Ehemann war der Porträtist Juriaen Pool (um 1665-1745), den sie 1693 ehelichte und mit dem sie zehn Kinder hatte, von denen sechs jung starben. 1701 wurde Rachel Ruysch Mitglied der Confrerie Pictura und 1709 zusammen mit ihrem Mann Juriaen Pool Mitglied der Malergilde in Den Haag. Das Malerehepaar lebte in Den Haag, ehe es nach Düsseldorf ging. Nach dem Tod des Kurfürsten 1716 liessen sie sich in Amsterdam nieder, wo sie bis zum Lebensende blieben.

Datierte Werke von Rachel Ruysch sind für fast alle Jahre von 1681 bis 1723 nachweisbar. Danach ging ihre Produktion zurück. Doch malte die fromme Künstlerin bis ins hohe Alter weiter auf höchstem Niveau, wie zum Beispiel das Photo rechts ihres Gemäldes Rosenzweig und Käfer auf einer Steinbrüstung von 1741 dokumentiert. Ihr letztes Werk schuf Rachel Ruysch 1747, als sie bereits 83 Jahre alt war. Sie starb am 12. August 1750 in Amsterdam. Ihre Werke erzielten bereits zu ihren Lebzeiten hohe Preise. Rachel Ruysch gehört zu den wenigen Frauen der Kunstgeschichte vor dem 20. Jahrhundert, die mit den besten männlichen Künstlern ihrer Zeit mithalten konnte. Sie verband realistisch-wissenschaftliche Genauigkeit mit Sensibilität und künstlerischen Flair.

Bibliographische Hinweise zu Rachel Ruysch

Die Hauptquelle für diesen Artikel: Die Magie der Dinge. Stilllebenmalerei von 1500 – 1800. Hatje Cantz, 2008, 368 Seiten, 246 farbige Abbildungen. Bestellen bei Amazon.de. Die englische Ausgabe, The Magic of Things, bestellen bei Amazon.com, Amazon.deAmazon.co.uk.

Marianne Berardi: Science into Art: Rachel Ruysch’s Early Development as a Still-life Painter. Ph. D. diss., University of Pittsburgh, 1998.

Delia Gaze: Concise Dictionary of Women Artists. Routledge, 1997, 2 Bände, 1600 Seiten. Bestellen bei Amazon.com.

Im North Carolina Museum of Art in Raleigh befindet sich ein Porträt von Rachel Ruysch gemalt von Constantine Netscher. Es zeigt die Malerin sitzend, mit der 1710 von Kurfürst Wilhelm von der Pfalz erhaltenen Ehrenmedaille um ihren Hals.

Rachel Ruysch: Rosenzweig und Käfer auf einer Steinbrüstung (1741). Photo © Copyright Kunstmuseum Basel. In ihren späten Jahren schuf Rachel Ruysch einfachere Blumenstillleben mit losen Blumen, die auf einer Steinplatte liegen, so auch dieses Werk von 1741 aus dem Kunstmuseum Basel, das nicht nur wegen Rachel Ruysch eine Reise wert ist.

Juriaen Pool: Das Künstlerehepaar Juriaen Pool und Rachel Ruysch mit Sohn. Ausgestellt im Stadtmuseum Düsseldorf als Dauerleihgabe der Stiftung Schloss und Park Benrath. Foto Copyright © Stiftung Schloss und Park Benrath.

Die Magie der Dinge. Stilllebenmalerei von 1500 – 1800. Hatje Cantz, 2008, 368 Seiten, 246 farbige Abbildungen. Der Katalog zur gleichnamigen Wanderausstellung, die 2009 im Kunstmuseum Basel endete. Dem prächtigen und informativen Band entstammen die meisten Angaben zu Leben und Werk von Rachel Ruysch auf dieser Seite. Buch bestellen bei Amazon.de. Die englische Ausgabe des Katalogs, The Magic of Things (ebenfalls Hatje Cantz), bestellen bei Amazon.comAmazon.deAmazon.co.uk.

Artikel vom 21. Dezember 2009