Anselm Kiefer. Die Holzschnitte

Jun 02, 2016 at 00:00 1300

Die Albertina in Wien zeigte die erste Retrospektive (Amazon) der weitgehend aus Holzschnitten zusammengefügtem, monumentalen Papiercollagen von Anselm Kiefer. Die Holzschnitte werden zu Collagen verarbeitet, dabei oft übermalt, vernetzt, mit experimentellen Materialien und Techniken überarbeitet.

Das Museum zeigt rund drei Dutzend Hauptwerke seiner monumentalen Hauptwerke und präsentiert bedeutende Bildzyklen und Themengruppen wie Brünhilde – GraneWege der Weltweisheit: Die Hermannsschlacht und die Rhein-Bilder.

Die Werke des 1945 im baden-württembergischen Donaueschingen geborenen und in Paris lebenden und arbeitenden Anselm Kiefer drehen sich um die deutsche Geschichte und ihre Mythisierung, um das Tragische, das Hinfällige, das „deutsche Verhängnis“, das Fatale, Historienbilder, die Apokalypse, die nationalsozialistische Vergangenheit und mehr. Dabei geht der Künstler oft provokant vor, spielt manchmal mit der Irreführung und vereint in seinen Holzschnitten Widersprüchliches. Die Auseinandersetzung mit Terror, Zerstörung, Krieg, Diktatur und Vergänglichkeit prägen viele seiner Werke.

Dabei dient das monumentale Format seiner Papercollagen nicht dem Pathos, sondern seine Holzschnitte sind vielmehr antiheroisch. Zu jedweder „Grösse“ gehört bei Anselm Kiefer gleichzeitig das Schicksal des Untergangs ebendieser. Grösse ist bei ihm Wahn.

Anselm Kiefers Holzschnitte sind alles Unikate, denn die Reproduzierbarkeit lässt sich nicht mit dem Bedeutungsschwund und dem Pathos-Verlust des „Einzigen“ verbinden, die dem Künstler so wichtig sind. Der Holzschnitt wurde für ihn laut Klaus Albrecht Schröder zur einzigen Methode, die Materialästhetik des Verfalls in der Druckgrafik zu erhalten.

Beim Thema Brünhilde – Grane bezieht sich Anselm Kiefer auf eine Erzählung innerhalb des mittelalterlichen Heldenepos Nibelungenlied. Die von Intrigen bedrängte Heldin Brünhilde findet in ihrem Pferd den einzig treuen Gefährten. Um dem Fluch des aus dem geraubten Rheingold geschmiedeten Ringes zu entkommen wählt sie den Feuertod. Das von Richard Wagner vertonte Werk wurde von den Nazis für ihre Propaganda missbraucht. Anselm Kiefer wiederum setzt sich in seinem Werk immer wieder mit dem Thema der „Besetzung“auseinander. Dazu gehört die Besetzung von Symbolen und Bildern durch die Nazis.

Den Titel Wege der Weltweisheit: Die Hermannsschlacht hat Anselm Kiefer einer zufällig entdeckten historischen Betrachtung des Jesuitenpaters Bernhard Jansen aus dem Jahr 1924 entlehnt. Bei der Hermannssschlacht im Jahr 9 n. Chr. schlugen die von Arminius geführten Germanen die römischen Legionen unter der Führung von Varus. Im 19. Jahrhundert wurde die Hermannsschlacht zum Symbol nationaler Freiheit und er Wald zum Gründungsort deutscher Geschichte. Auch diese Geschichte wurde später von den Nazis vereinnahmt, besetzt.

Der Rhein wiederum galt insbesondere in der Romantik als deutsches Nationalsymbol und bildete gleichzeitig die kulturelle und politische Grenze zu Frankreich. Von Friedrich Hölderlin und Heinrich Heine bis zu Richard Wagner inspirierte der Strom deutsche und andere Künstler. Anselm Kiefer konzentriert sich in seinen Holzschnitten und anderen, dem Rhein gewidmeten Werken, auf die politischen und kriegerischen Herausforderungen, die mit dem Strom seit jeher verbunden waren. In seinem ab 1982 entstandenen Rhein-Werkblock vereint er die gebaute Kultur, darunter Bunker und nationalsozialistische Bauten, mit einer kulturell aufgeladenen Natur. Besetzung, Mythologie und Geschichte kommen im Rhein von Anselm Kiefer zur Sprache.

Den Holzschnitt Cette obscure clarté qui tombe des étoiles (Dieses dunkle Licht, das von den Sternen fällt) hat der Künstler speziell für die Präsentation in der Albertina geschaffen. Den Namen seines Werkes hat Anselm Kiefer dem Theaterstück Le Cid von Pierre Corneille aus dem Jahr 1636 entliehen. Der Holzschnitt spiegelt die Spannung in Corneilles Werk zwischen Licht und Dunkel im vielschichtigen Symbol der Sonnenblume wieder. Die helle Oberfläche des Bildes ist von schwarzen Sonnenblumenkernen übersät, die als schwarzer Regen vom Himmel auf eine wellenförmig gefurchte Landschaft zu fallen schein.

Der umtriebige Leiter der Albertina, Klaus Albrecht Schröder, der sein Museum zur führenden Institution in Wien gemacht hat, bezeichnet Anselm Kiefer in seinem Vorwort zum Ausstellungskatalog als „vielleicht der grösste Metaphysiker unserer Zeit“. Er widme sich „den letzten Fragen. Was macht das Wesen des Menschen aus? Wie ist das Verhältnis zwischen Geist und Leib?“ Anselm Kiefer formuliere Erfahrungen, die über jegliche Empirie hinausgingen. Der Blick auf die Geschichte, zumal der deutschen, lasse den Künstler verzweifeln. Aber die Lektüre der grossen Mystiker ebenso wie der Aufklärer versöhne ihn mit der Widersprüchlichkeit des Menschseins. Werner Spies wiederum bezeichnet Anselm Kiefer als „grössten Historienmaler“ unserer Zeit.

Wie auch immer, die Ausstellung in der Albertina ist eine Reise nach Wien wert.

Dieser Artikel beruht auf dem Katalog zur Retrospektive in der Albertina. Zitate sind nicht notwendigerweise immer mit Gänsefüsschen ausgezeichnet. Der Katalog: Anselm Kiefer. Die Holzschnitte. Mit Beiträgen von Antonia Hoerschelmann, Werner Spies und anderen. Gebundene Ausgabe, Hatje Cantz, 2016, 160 Seiten. Das Buch bestellen bei Amazon. Die Ausstellung wird in der Albertina in Wien seit dem 18. März und noch bis am 19. Juni 2016 gezeigt.

Der Katalog: Anselm Kiefer. Die Holzschnitte. Mit Beiträgen von Antonia Hoerschelmann, Werner Spies und anderen. Gebundene Ausgabe, Hatje Cantz, 2016, 160 Seiten. Das Buch bestellen bei Amazon. Die Retrospektive wird in der Albertina in Wien vom 18. März bis am 19. Juni 2016 gezeigt.

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