Ito Shinsui

Nov 01, 2016 at 11:04 1156

Die traditionellen japanischen Holzdrucke in neuer Ästhetik, die sogenannten „neuen Drucke“ (shin hanga), waren der Versuch der Wiederbelebung der Tradition der Ukiyoe-Holzschnitte, deren Hochblüte in die Edo-Zeit (1603-1868) fällt. Shin hanga-Werke des Künstlers Itō Shinsui waren zuletzt in Europa vor 32 Jahren im British Museum in London zu sehen. Nun sind sie noch bis am 8. Januar 2017 im Museum Rietberg in Zürich ausgestellt.

Aus konservatorischen Gründen findet die Ausstellung in zwei Teilen von je 50 Holzschnitten statt. Die ersten 50 Werke werden am 14. November 2016 alle ausgetauscht. Der Eintritt berechtigt zum Besuch beider Präsentationen vor und nach dem 14. November.

Über zwei Drittel aller Drucke von Ito Shinsui sind „Darstellungen schöner Frauen“ (bijinga). Daneben widmete er sich vor allem Landschaften.

Biografie von Itō Shinsui

Itō Shinsui wurde als Itō Hajime am 4. Februar 1898 in Fukugawa, Tokio, geboren. Laut abweichenden Quellen kam er bereits 1896 als Sohn eines Adligen aus Kyoto auf die Welt und wurde später von der Itō-Familie adoptiert. In jedem Fall hatte er keine einfache Kindheit. Als sein Adoptivvater seine Arbeit verlor und sich seine Familie in alle Winde zerstreute begann er mit 11 Jahren als Laufbursche in einer Reklameschild-Werkstatt zu arbeiten. 1908 wechselte er zur Druckerei Tokyo Insatsu, wo er sich zuerst um Drucktypen, danach um Illustrationen kümmerte.

Die Druckerei war eine Art Kunstsalon, in der Persönlichkeiten verschiedenster Berufsrichtungen und sozialer Herkunft verkehrten. ItōShinsui hatte Glück und lernte dort seinen zukünftigen Lehrmeister Kaburaki Kiyokata (1878-1972) kennen.

1910 sah Ito Shinsui Meisterwerke von Hayami Gyoshū (1894-1935), einem bedeutenden Nihonga-Meister, der japanischen Malerei mit traditionellen Techniken und mineralischen Farben und Tusche. Daraufhin beschloss der junge Itō Shinsui, dem Beispiel von Hayami Gyoshū zu folgen und sich ebenfalls der Malerei mit traditionellen japanischen Techniken zu widmen. Zu jener Zeit freundete er sich mit dem talentierten Maler Sekine Shoji (1899-1919) an, der leider bereits mit 20 Jahren verstarb. Die zwei zogen oft zusammen durch die Strassen, trugen türkische Mützen und schwarze Mäntel mit Schlangenmustern, die von Gustav Klimt inspiriert waren. Darin zeigte sich, dass Ito Shinsui sich durchaus und schon in frühen Jahren für die moderne Kunst aus Europa interessierte.

Um 1911 trat der junge Mann in die Schule von Kaburaki Kiyokata, der damals bereits ein gefragter Bijinga-Maler war, dem die Bildung ebenso wichtig wie das Talent seiner Schüler war. Ein Künstler brauche eher Ideen als Technik, meinte der Meister. Shinsui hingegen vertiefte sich sehr in die Technik und besuchte auf Anraten seines Meisters eine berufsbegleitende Abendschule. Kaburaki Kiyokata verlange von seinem armen Schüler kein Geld, was dieser ihm mit aussergewöhnlichem Lerneifer dankte. Der Meister erkannte rasch das Talent seines Schülers. Dieser erhielt den Künstlernamen „Shinsui“, was auf Japanisch eine Kombination aus den Schriftzeichen von Itō Haijmes Heimatviertel Fukugawa und dem Namen seines Lehrmeisters Kiyokata ist.

Der normale Arbeitstag von Ito Shinsui begann um 5 Uhr früh, um 7 Uhr ging er in die Druckerei zur Arbeit, danach noch in die Abendschule, von der er erst gegen 22 Uhr nach Hause kam, weshalb er täglich nur 3 bis 4 Stunden Schlaf fand.

1912, nach einem Jahr in Kiyokatas Schule, erhielt Shinsui als Belohnung ein Stück Seidenleinwand. Darauf malte er das Bild Nodoka (Friedlich), das in die Ausstellung der Künstlervereinigung Tatsumi gakai aufgenommen wurde. Dies privat organisierte Ausstellung galt damals als das entscheidende Tor zum Aufstieg für junge Künstler.

Die Anfänge von Shinsui fallen in die relativ freiheitliche Taishō-Zeit (1912-26), in der viele traditionelle Kunsttechniken wiederbelebt wurden. Obwohl Shinsui rasch zu einem erfolgreichen Maler wurde und sich mit Drucken viel weniger Geld verdienen liess, widmete er sich mit Leidenschaft den shin hanga, deren führender Vertreter er wurde.

1926 fand die erste Shinhanga-Ausstellung statt. Im begleitenden Katalog schrieb Ito Shinsui: „Man muss das Objekt mit eigenen Augen genau beobachten, ganz frei und unabhängig von den Werken früherer Meister und von den traditionellen Techniken. Darüber hinaus möchte ich die Ausdruckskraft des Holzschnittmediums voll ausnützen.“

Der Erfolg von Ito Shinsuis Holzschnitten beruhte vor allem auf der zum Teil romantischen Darstellung von Frauen, die das traditionelle japanische Schönheitsideal verkörpern (Khanh Trinh). Nach dem Aufbruch ins Industriezeitalter in der Meji-Zeit besann man sich in der Taishō-Periode wieder zurück auf japanische Traditionen und kulturellen Werte. Dazu gehörte die Wiederbelebung der Ukiyoe-Holzschnitte.

Die traditionellen shin hanga eines Ito Shinsui standen den „kreativen Drucken“ (sōsaku hanga) der am Westen orientierten Avantgarde gegenüber, deren Vertreter neue Motive suchten und selbst zeichneten, schnitten und druckten, wegen der daher oft fehlenden Arbeitsteilung mit professionellen Druckern jedoch nicht das Niveau der shin hangaeines Ito Shinsui erreichten, wobei die Grenzen der zwei Künstlergruppen laut Khanh Trinh nicht so scharf, ja fliessend waren.

1915 entdeckte bei einer Gruppenausstellung der Verleger Watanabe Shōzaburō ein Frauenportrait des noch minderjährigen Itō Shinsui. Er war so begeistert davon, dass er über dessen Lehrer Kiyokata an den Schüler herantrat und ihn bat, das Gemälde in einen Holzschnitt umzuarbeiten. Im darauffolgenden Jahr erschien das Blatt „Vor dem Spiegel“, das den Beginn der 40jährigen Zusammenarbeit zwischen Watanabe und Shinsui markiert.

Shinsuis Werke verschrieben sich dem traditionellen Frauenbild, während dem insbesondere in Tokios Ginza-Viertel zahlreiche Japanerinnen ab den 1920er Jahren der Charleston-Mode mit kurzem Bob und Flapper-Schuhen und -Kleidern huldigten. Shinsui zeichnete in seinen Werk zumeist das traditionelle, idealisierte Frauenbild der sanftmütig-bescheidenen Japanerin mit oft gesenktem Blick.

In seinen Landschaftsbildern hingegen war Ito Shinsui innovativer und lieferte eine eine erfrischend neue Interpretation, die auf seiner persönlichen Naturerfahrung beruhte (Khanh Trinh).

Gleichzeitig sind alle Werke von Ito Shinsui eine Verkörperung ihrer Zeit, insbesondere der Taishō-Periode, die von der Spannung zwischen Modernität und Nostalgie geprägt war. Sie waren vor allem ein Exportprodukt, das sich gleichzeitig an jene Einheimischen wandte, die den Verheissungen der Moderne misstrauten (Khanh Trinh).

In der Ausstellung im Museum Rietberg findet sich zudem eine Illustration von Ito Shinsui für die Zeitung Yomiuri Shinbun, die eine Frau in westlicher Kleidung, sowie „Mittag in einem Ferienort“, das Zuschauer eines Tennismatches zeigt. Allgemein sind die Werke von Shinsui von einem modernen Stil mit vereinfachten Formen geprägt, welche die Shinhanga-Kunst zum Blühen brachte. Bis zu seinem Tod 1962 veröffentlichte Watanabe 147 Drucke von Shinsui (Katsuyama Shigeru).

1962 starb übrigens auch die Frau von Shinsui, Yoshiko, weshalb der Künstler seine Peru-Reise abbrach und zurück nach Japan reiste. Shinsui reiste oft ins Ausland, so 1958 nach Paris, wo er die Mona Lisa, die Impressionisten, Post-Impressionisten und die zeitgenössische Malerei bewunderte.

Itō Shinsui starb 1972 im Alter von 74 Jahren, nur zwei Monate nach seinem verehrten Lehrmeister Kiyokata.

Katalog / Ausstellungskatalog

Der Ausstellungskatalog ist die Quelle für diesen Artikel. Der Katalog zur Ausstellung im Museum Rietberg in Zürich, herausgegeben von Katsuta Akiko, Katsuyama Shigeru, Kondo Shinichiro und Khanh Trinh: Itō Shinsui. Paperback, 192 Seiten mit 100 farbigen und 7 sw-Abbildungen. Deutsch/English. Ausstellung und Katalog entstanden als Kooperation zwischen dem Museum Rietberg Zürich und der Taiyo no Hikari Foundation, Japan, die den Nachlass von Itō Shinsui verwaltet. Hauptsponsor ist die KK Sonnenschein Stiftung, Zürich. Der Ausstellungskatalog ist erhältlich im Museum und im Online-Shop des Museums Rietberg. – Weitere englische Bücher zu Ito Shinsui / Books about Ito Shinsui at Amazon USA.

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Der Katalog, herausgegeben von Katsuta Akiko, Katsuyama Shigeru, Kondo Shinichiro und Khanh Trinh: Itō Shinsui. Paperback, 192 Seiten mit 100 farbigen und 7 sw-Abbildungen. Deutsch/English. Ausstellung und Katalog entstanden als Kooperation zwischen dem Museum Rietberg Zürich und der Taiyo no Hikari Foundation, Japan, die den Nachlass von Itō Shinsui verwaltet. Hauptsponsor ist die KK Sonnenschein Stiftung, Zürich.

Der Buchumschlag des Ausstellungskatalogs zeigt einen Ausschnitt des Druckes Vor dem Spiegel aus dem Jahr 1916 und gilt als Erstlingswerk von Itō Shinsui im Bereich der shin hanga und zugleich als Pionierarbeit der shin hanga.