Sylvie Courvoisier

Jun 01, 2015 at 16:39 1235

Biografie, CDs und Konzertkritik

Biografie von Sylvie Courvoisier

Die am 30. November 1968 in Lausanne geborene Pianistin und Komponistin Sylvie Courvoisier widmet sich seit vielen Jahren dem Jazz. Sie lebt seit 1998 mit ihrem Ehemann und Musikpartner, dem 1955 in Chicago geborenen Geiger und Komponisten Mark Feldman, im New Yorker Stadtteil Brooklyn.

Sylvie Courvoisier begann im Alter von 6 Jahren mit dem Klavierspiel. Ihr Vater war ein Amateurjazzpianist, der seiner Tochter die Begeisterung für die Musik quasi in die Wiege legte. Die junge Dame studierte Jazz am Konservatorium von Montreux und klassische Musik am Konservatorium von Lausanne.

Im Gespräch sagte mir Sylvie Courvoisier, dass der italienische Comic-Autor Hugo Pratt (1927-95) entscheidenden Anteil an ihrer Entwicklung zur Berufsmusikerin hatte. Er gestaltete nicht nur die Hülle ihrer ersten Platte aus dem Jahr 1994, Sauvagerie courtoise, sondern ermunterte sie zudem, sich dem Klavierspiel und der Komposition ernsthaft zu widmen. Der grosszügige Erfinder von „Corto Maltese“ liess die junge Schweizerin, die damals noch ziemlich orientierungslos war, monatelang bei sich wohnen und gab ihr Zeit, sich als Künstlerin zu finden. Daher widmet sie dem am 20. August 1995 in Pully bei Lausanne verstorbenen Hugo Pratt immer mal wieder eine Komposition, so auch auf ihrem neuesten Album Double Windsor aus dem Jahr 2014.

Der Albumtitel leitet sich vom gleichnamigen Krawattenknoten ab. Sylvie Courvoisier sagte mir, es handle sich dabei um die komplexeste Komposition des Albums und um ihr Lieblingsstück. Unter den neun Titel befindet sich zudem die Komposition „Corto“, die oben erwähnte Hommage an Hugo Pratts berühmteste Comicfigur, Corto Maltese.

Sylvie Courvoisier sagte mit nach ihrem Auftritt bei jazz in winterthur Ende Mai, sie habe bis heute rund 40 CDs als Leader und Co-Leader herausgebracht. Eine Reihe von Alben hat sie mit ihrem Ehemann, Mark Feldman, aufgenommen, der sich als Geiger und Komponist wie Sylvie Courvoisier im Jazz wie in der Klassik zuhause fühlt. Sie sagte mir, sie habe Mark 1995 kennengelernt. Zuerst seien sie nur befreundete Musikerkollegen gewesen. Er habe sie 1998 nach New York eingeladen, wo sie zum Paar geworden seien.

Sylvie Courvoisier widmet sich neben dem Jazz der Improvisation, insbesondere seit dem Jahr 2000 mit dem Trio Mephista, zu dem Ikue Mori und Susie Ibarra gehören. Zudem spielt sie im Quintett von Herb Robertson mit Tim Berne, Rom Rainey und Mark Dresser, im Quartett von Nate Wooley sowie im Trio von Erik Friedländer.

Wie ihr Mann, Mark Feldman, hat auch Sylvie Courvoisier mit John Zorn gespielt bzw. spielt noch immer mit ihm, so in dessen Gruppen Cobra und Masada Marathon. Tim Berne, Dave Douglas und viele andere Musikgrössen der Avantgarde-Szene gehören bzw. gehörten zu ihren Partnern. Unter den herausragenden europäischen Musikern, mit denen sie bereits gearbeitet hat, seien Enrico Rava und Joachim Kühn hervorgehoben. Mit dem Flamenco-Tänzer Israel Galvan hat sie seit 2010 über 150 Auftritte mit dem Projekt la Curva gehabt.

Mit ihrem Mann ist sie Co-Leader des Sylvie Courvoisier Mark Feldman New QUARTET mit Scott Colley und Billy Mintz. Sie spielt mit ihrem Mann seit 1997 zudem im Sylvie Courvoisier & Mark Feldman DUO. Sylvie Courvoisiers neuestes Album, das oben erwähnte Double Windsor, ist ihre erste Aufnahme mit einem Klaviertrio. Sie sagte mir in Winterthur, sie sei von Freunden lange dazu gedrängt worden, habe sich aber lange gesträubt, da es sich beim Trio gleichzeitig um das einfachste wie das schwierigste Format handle, bei dem man leicht in Klischees abgleiten könne. Mit Double Windsor ist sie nicht in diese Falle getreten. Die neun Eigenkompositionen begeistern sowohl auf der CD wie im Konzert.

Auf dem Album Double Windsor ist Sylvie Courvoisier zusammen mit dem Bassisten Drew Gress und dem Schlagzeuger Kenny Wollesen zu hören. Bei ihrem Konzert bei jazz in winterthur hingegen spielte sie mit Drew Gress und dem 1981 in Thun geborenen Deutschschweizer Schlagzeuger Julian Sartorius. Sylvie sagte mir, sie sei ohnehin auf der Suche nach Musikern in Europa gewesen, die auf dem Alten Kontinent mit ihr im Trio spielen könnten. Dann habe sich Kenny Wollesen vor rund einem Monat die Hand gebrochen, weshalb ein neuer Schlagzeuger für die Europa-Tournee notwendig wurde. Mit Julian Sartorius habe sie bereits vor rund zehn Jahren einmal in einem Workshop zusammen gearbeitet sowie 2012 in New York in einem Duo-Projekt im kleinen Club The Stone gespielt. Als Schüler sei er bereits im Luzerner Workshop herausragend gewesen. Julian Sartorius hat die Jazzschulen von Bern und Luzern besucht. Bekannt wurde er insbesondere durch Soloauftritte sowie viele Konzerte im Duo mit der Sängerin, Komponistin, Gitarristin und Pianistin Sophie Hunger.

Konzertkritik: Konzert bei jazz in winterthur am 30. Mai 2015

In Winterthur trat das Sylvie Courvoisier Trio erstmals in der Besetzung Courvoisier-Gress-Sartorius auf und begeisterte das Publikum. Es schien, als hätte der Schlagzeuger schon immer zum Trio gehört. In der Pause bestätigte mir Julian Sartorius meinen Eindruck, denn er sah es genau so.

Beim Konzert bei jazz in winterthur vom 30. Mai 2015 spielte das Trio alle neun Stücke des Albums Double Windsor. Sie hatten erstmals am Vortag einmal zusammen gespielt, doch alles fügte sich im Konzert natürlich, harmonisch zusammen. Für die vollständige Einstudierung weiterer Kompositionen hatte es allerdings nicht gereicht, weshalb es leider keine Zugabe geben konnte, wofür sich Sylvie Courvoisier entschuldigte.

Der Live-Auftritt vom Mai 2015 begeisterte vom ersten Takt an. Durchkomponierte Teile wechselten mit vielen Freiräumen für Improvisationen ab. Eingängige folgten auf sperrige Passagen. Drew Gress am Kontrabass lieferte vor allem den Kitt, der das Trio zusammenhielt und lieferte Grundrhythmen. Julian Sartorius zeigte am Schlagzeug viel Kreativität. Sylvie Courvoisier glänzte durch Technik und Präzision. Das Trio harmonierte von Anfang bis Ende.

Furios ging es los mit „The Charlier Cut“, wobei hier bereits Raum für Duo- und Solopassagen war. Sylvie Courvoisier sagte mir nach dem Konzert, der Titel spiele nicht nur auf die besondere Art an, ein Kartenspiel mit einer Hand abzuheben, sondern stehe auch für Rhythmus- und andere Wechsel innerhalb eines Musikstücks. Weiter ging es mit „Inscordatura“, das mit einem elegischen Bass und einem sanften Schlagzeug begann, sich steigerte, eine grosse Klangkulisse aufbaute, Harmonisches und Sperriges bot, viel Kreativität in einer Komposition offerierte, ein furioses Schlagzeugsolo inkorporierte und ein Trio mit Verve am Werk sah. „Downward Dog“ war das dritte Stück des gelungenen Abends. Das Schlagzeug begann ruhig, mit Tüchern gedämpft. Eingängige Klänge und blindes Verständnis des Trios prägte das Stück, das zwischendurch einen orgiastischen Sound sowie Ecken und Kanten bot, mit dem Kontrabass als Bindeglied. Die Komposition „Pendulum“ folgte. Klavier und Schlagzeug begannen im Duo. Im Innenraum des Pianos kratzte und zupfte Sylvie Courvoisier. Der Bass steuerte beruhigende Töne bei. Zu Beginn schlug das Pendel nicht sehr stark aus. Doch dann schaukelte sich die Musik hoch, um wieder ruhig zu enden. „Double Windsor“ folgte als letztes Stück vor der Pause. Das Piano begann solo, ruhig. Das Schlagzeug gesellte sich rasch, gedämpft dazu. Die Intensität steigerte sich bald zu einem begeisternden Sound. Der Bass setzte elegische Noten gegen die entfesselten Kollegen am Steinway und dem Schlagzeug. Ruhige Passagen, mit dem Schlagzeuger mit Besen wischend, wechselten ab mit mitreissenden Stellen. Der Bass rückte zwischendurch in den Vordergrund. Das Trio überzeugte als perfektes Team. Rhythmuswechsel und erneut orgiastische Passagen begeisterten. Nicht nur das Zuhören, sondern auch das Zusehen machte Spass. Nach der Pause legten die Musiker im Trio los. In dieser Komposition, „La Cigale“, zeigten sich die drei Musiker als gleichberechtigte Künstler auf einer Augenhöhe. Danach ging es angriffslustig mit „Corto“ weiter. Alle Instrumente stürmten vorwärts, ehe plötzlich der Bass zu einem Solo ansetzte, um von einem Duo mit Bass und Schlagzeug abgelöst zu werden. Als zweitletztes Stück des Abends spielte das Trio „To Fly To Steal“. Das Stück begann ruhig, mit der Pianistin in ihren Steinway hineingreifend. Auf diese entspannte Komposition folgte zum Schluss des Abends „October 08“, eine ebenfalls ruhige Komposition. Sylvie Courvoisier erzählte mir nach dem Konzert, der Titel bezeichne das Entstehungsdatum der Komposition, den 8. Oktober 2013.

Alle neun Stücke des Abends boten eine beeindruckende Ideenvielfalt, die hier nicht annähernd wiedergegeben wurde. Jede einzelne Komposition des Albums Double Windsor sprüht von Einfällen, offeriert zahlreiche Wechsel, bietet kreative Freiräume, die für Improvisationen genutzt werden können. Sowohl das Album wie die Live-Performance von Double Windsor können daher aufs wärmste Empfohlen werden.

Sylvie Courvoisier Trio mit Silvie Courvoisier am Klavier, Drew Gress an der Bassgeige und Kenny Wollesen am Schlagzeug: Double Windsor. Tzadik, 2014, mit 9 Eigenkompositionen von Sylvie Courvoisier. Die CD Double Windsor bestellen bei Amazon.deAmazon.com, Amazon.fr. Das Album als MP3 bestellen bei Amazon.deAmazon.com, Amazon.fr.


Sylvie Courvoisier: Lonelyville. Mit Sylvie Courvoisier Piano, Mark Feldman Violine und Komposition, Vincent Courtois Cello, Ikue Mori Electronics und Gerald Cleaver Schlagzeug. Die CD Lonelyville bestellen bei Amazon.deAmazon.comAmazon.frAmazon.co.uk. Die MP3-Version bestellen bei Amazon.deAmazon.comAmazon.co.uk.