La Colombe d’Or

Jan 07, 2016 at 16:35 3400

Das berühmte Hotel im südfranzösischen Saint-Paul-de-Vence. Hotelkritik, Geschichte und Fotos

Das Hotel La Colombe d’Or am Eingang des malerischen südfranzösischen Dorfes Saint-Paul-de-Vence hat einen fast schon mythischen Namen. Seine Anfänge gehen auf das Jahr 1920 zurück.

In jenem Jahr eröffnet Paul Roux eine Café-Bar namens à Robinson mit einer Gartenterrasse und Tanzabenden an den Wochenenden. Seine Mutter Marie kocht für die Gäste in einer naiv-sorglosen Atmosphäre. An Wochenenden verwandelt Paul Roux sein Lokal „en guinguette“. Das hier was los ist, spricht sich schnell herum. Der Mix aus eleganten Durchreisenden und Dorfbewohnern wird rasch zur Attraktion.

1922 heiratet Paul Baptistine, genant  „Titine“. Sieben Jahre später kommt ihr Sohn Francis zur Welt. Mittlerweile ist das Renommée der kleinen provençalischen Auberge mit der ausgelassenen Stimmung so weit gewachsen, dass sich am Sonntagnachmittag hier die lokalen  „Gangs“ zum Prügeln treffen.

Paul und Titine entschliessen sich daher, à Robinson zu schliessen und anstelle der Café-Bar La Colombe d’Or zu eröffnen, zuerst mit nur drei Zimmern, welche die ganze Saison ausgebucht sind.

Viele Künstler kommen zu Besuch nach Saint-Paul-de-Vence, dass schon im 19. Jahrhunderten die Impressionisten anzog. Paul Roux schliesst Freundschaften mit Künstlern, insbesondere Malern. Er selbst ist Autodidakt. Seine Werke sind noch heute im ganzen Haus zu sehen. So hing 2004 in meinem Zimmer Nr. 20 eines seiner Stillleben. Seine ersten Künstlerfreunde sind Bompard, Yves Alix, Peyret, Planson, Touchagues, Menkès, Vigny, der Schotte Leslie Hunter und der Pole Maurice Mendjisky. Touchagues hat übrigens 1946 in Nr. 20 die Wand hinter dem Bett bemalt und signiert.


Der Swimming Pool der Colombe d’Or. Photo Copyright © La Colombe d’Or, Saint-Paul-de-Vence.

Rasch erweitert sich der Kreis, zu dem sich Dufy, Signac, Soutine und Dunoyer de Segonzac gesellen. Die Colombe d’Or wird rasch zum Künstleratelier. Paul Roux hängt am Eingang der Auberge ein Schild mit der Aufschrift auf: Ici on loge à cheval, à pied ou en peinture.

Eines Tages um fünf Uhr nachmittags hält eine schwere Limousine mit Chauffeur vor dem Haus. Der in Nizza lebende Matisse schaut verbaut, um sich den in Künstlerkreisen famosen Ort anzuschauen. Der gerade etwas kränkelnde Matisse nimmt seinen Tee in der Limousine zu sich. Paul gesellt sich zu ihm. Die zwei beginnen ein Gespräch und werden bald darauf Freunde.

Braque, Léger, Chagall, Mirò, Picabia und Villon kommen. Der Künstlerkreis, der in Hotel und Restaurant verkehrt, vergrössert sich zusehends. Wir sind in den dreissiger Jahren, in denen sich tout Paris an der Côte d’Azur, von Monaco über Nizza bis Antibes, amüsiert. Sie alle schauen regelmässig in der Colombe d’Or vorbei. Saint-Paul-de-Vence wird zum einzigartigen Mini-Theater, in dem sich Nackttänzerinnen wie Hélène Vanel und Loïs Hulton produzieren. Die Gäste kommen aus London und Paris. Adelige, Millionäre, Abenteurer und Künstler amüsieren sich hier. Der Prince de Galles wird zum Stammgast und Freund von Paul, der ihn einfach nur „Prince“ nennt. Fotos von Kostümfesten aus den 1930er Jahren belegen die ausgelassene Stimmung.

Die Wände füllen sich immer mehr mit Werken bekannter Künstler. Der Poet und Filmdrehbuchautor Jacques Prévert gehört nun auch zu den Gästen. Er besucht die Colombe während Dreharbeiten zu einem in der Gegend spielenden Film. Mit ihm kommt die bande à Prévert. Sein Regisseur Marcel Carné und sein Komponist Joseph Kosma begleiten ihn. Arletty und Alain Cuny gesellen sich jeden Abend zu ihnen an der Bar der Colombe.

Zu den Freunden, die dank Jacques Prévert den Weg in die Colombefinden gehören zudem der Regisseur Yves Allégret und seine Frau, die Schauspielerin Simone Signoret, die sich in den Ort verliebt, in dem sie später die Liebe ihres Lebens kennen lernen und heiraten wird: Yves Montand.


Die Terrasse der Colombe d’Or mit integrierter Kunst. Photo Copyright© La Colombe d’Or, Saint-Paul-de-Vence.

Cocteau, Bérard, Jouvet und Pagnol signieren das Gästebuch. An einem Sommerabend kommt Picasso durch die Tür. Er wird zu einem guten Freund von Paul Roux werden.

Die Maler Henri Matisse, André Derain, Paul Morand, Louis Jouvet und andere rufen die Ecole de Peinture de Saint-Paul ins Leben, die jedes Jahr einen jungen Maler mit einem Aufenthalt in der Auberge belohnt.

Die Auberge wird um einen Annexe erweitert. Paul Roux kauft alle Steine eines in Ruinen liegenden Schlosses in Aix-en-Provence, um damit die Fassade seiner Colombe zu verschönern.

Jacques Couëlle und der Architekt Svetchin verändern mit anderen zusammen das Hotel und sein Restaurant. Couëlle lässt alle, die mitgearbeitet haben, das Cheminée mit ihren Handabrücken signieren.

Paul Roux setzt Olivenölfilter (filtres à huile d’olive) als Lampen auf der Terrasse ein. Als ein Amerikaner ihm seine Colombe abkaufen will, sendet ihm Paul ein Blumenbouquet, begleitet von einer Zeichnung und dem Satz: Die Blumen für Sie, die Colombe für meinen Sohn („Ces fleurs pour vous, la Colombe pour mon fils.“).

Mit dem Zweiten Weltkrieg ist es mit der Feierstimmung an der Côte d’Azur vorbei. Doch nach dem Krieg erlebt die Region eine Renaissance. Nach Saint-Paul-de-Vence kommen nun auch amerikanische Filmstars, die hier ihre europäischen Kollegen sowie Literaten, Maler und Bildhauer der Alten Welt treffen.

Sohn Francis übernimmt allmählich die Colombe d’Or von seinen Eltern. Auch er ist ein Freund von Jacques Prévert. Zusätzlich bringt er eine neue Generation von Künstlern ins Hotel und Restaurant, darunter Yves Montand, Lino Ventura, Serge Reggiani und Georges Géret.

In jener Periode trifft Francis die bezaubernde Yvonne, die in Neapel geborene Tochter eines Franzosen und einer Dänin. 1952 verheiratet der langjährige Bürgermeister von Saint-Paul, Marius Issert, die zwei.

In jenem Jahr bestellt Paul Roux bei seinem Freund Fernand Léger eine riesige Keramik, die auf der Terrasse mit ihren aufregenden und wechselnden Farben das Licht feiert.

Paul Roux widmet sich nun vermehrt der Malerei, unter Anleitung seiner Freunde Prévert und Picasso. Er wird nun öfter von einem neuen Freund begleitet, mit dem er fortan in Saint-Paul la célébrité teilt: Aimé Maeght, der Kunsthändler und Museumsgründer. Er wird bei der Kreation der Fondation Maeght von Georges Braque, Fernand Léger, Juan Miró sowie dem Architekten José Luis Sert unterstützt, die alle auch in der Colombe verkehren.


Das Restaurant der Colombe d’Or. Photo Copyright © La Colombe d’Or, Saint-Paul-de-Vence.

Nach dem Tod von Paul Roux 1953 werden Francis und Yvonne definitiv verantwortlich für die Colombe. Sie kaufen das nebenstehende Haus aus dem 18. Jahrhundert. In den 1950er Jahren kommen neue Künstler ins Hotel und Restaurant, unter ihnen Calder, Arman, Fautrier und César, von denen Werke die Colombe d’Or schmücken.

Unter den neuen, jüngeren Schriftstellern ist Raymond Queneau, der in der ruhigen Colombe an jenem Tisch schreibt, den einst bereits André Gide benutzt hatte. Für den Regisseur Georges Henri Clouzot und seine Frau Véra, die sich hier länger niederlassen, wird 1955 auf ihren Wunsch hin versteckt im Garten ein kleines Haus gebaut.

Wie oben erwähnt, haben sich Simone Signoret und Yves Montand in der Colombe kennen und lieben gelernt. Montand kommt nach Saint-Paul, um seinen Freund Prévert zu besuchen, während dem Signoret gerade als Stammgast mit ihrer Tochter Catherine Allégret wieder mal im Hotel weilt. Die zwei Schauspieler heirateten in Saint-Paul und bleiben Stammgäste der Colombe d’Or. Bei der Hochzeit werden Tauben (frz.: colombes) freigelassen. Eine davon setzt sich Simone auf den Kopf.

1953 bringt Yvonne Roux ihr erstes Kind, François, auf die Welt, der 2004, die Colombe d’Or zusammen mit seiner Frau, Danielle, leitet. Später kommen noch Michelle („Pitou“) sowie einige Jahre später Hélène auf die Welt.

In den 1950er Jahren kommt es zu einem dreisten Kunstraub. Bis auf eine grossformatige Arbeit werden alle Kunstwerke geklaut! Nach sechs langen Monaten können sie gefunden und wieder zurückgebracht werden. Heute sind alle – inzwischen sündhaft teuren – Kunstwerke an eine Alarmanlage angeschlossen.

Alle Medien berichten gross über den Raub. Mit der Ruhe ist es nun vorbei. Als eines Tages ein Autobus voller Touristen mit gezückten Kameras ins Hotel kommt, die von einem Führer rumgeführt werden, entscheidet man sich in der Colombe d’Or dafür, Hotel und Restaurant durch ein Tor vom Dorf zu trennen. Seither herrscht wieder die privacy, welche die Gäste so schätzen. Hier können sich Künstler und andere Berühmtheiten schützt vor Fans, Touristen, Reportern und Paparazzi bewegen.


Die Terrasse der Colombe d’Or. Photo Copyright © La Colombe d’Or, Saint-Paul-de-Vence.

In den 1960er Jahren kommen vor allem die Filmstars der Nouvelle Vague in die Colombe. Clouzot bereitet hier seine Filme vor, Truffaut ruht sich hier während Dreharbeiten aus, Brigitte Bardot bewegt sich barfuss durchs Haus. Belmondo kommt zu Besuch. Alle fühlen sich zuhause.

Vor dem nebenstehenden Café ist Platz für das Pétanque-Spiel. Auf Fotos sind Yves Montand, Serge Reggiani, César, Lino Ventura, George Géret, Francis Roux und der Bürgermeister beim Spiel verewigt.

Das Schwimmbad – heute ganzjährig geheizt – lädt die Gäste der Colombe d’Or zum Verweilen ein. Calder schuf dafür eine riesige Skulptur. Bäume und Pflanzen säumen den Pool.

Nach einem Aufenthalt in der Colombe entschied sich der amerikanische Autor James Baldwin dafür, sich in der Region niederzulassen. Er wird ein Freund der Famille Roux und von Simone Signoret. Zusammen unternehmen sie lange Spaziergänge. Rasch wird der Amerikaner vom Dorf „adoptiert“.

Saint-Paul ist nun das berühmteste Dorf der Welt. 1964 kommt der Kulturminister André Malraux vorbei, um die Fondation Aimé Maeght einzuweihen.

Wenn die Mauern reden könnten… So manche Abenteuer finden hier statt. Anouk Aimée reist mit Pierre Barouh an und mit Albert Finney ab.

Die Mauern der Colombe zieren zusätzliche Werke jüngerer Künstler wie Jean-Charles Blais, die sich neben jenen von Sonia Delaunay, Yves Klein, Sean Scully und anderen wiederfinden. 1993 heiraten in Saint-Paul Bernard-Henri Lévy und Arielle Dombasle. „BHL“ gehört wie der Architekt Jean Nouvel zu den Berühmtheiten, die sich in Saint-Paul eine Wohnung oder ein Haus kaufen.

Der Schweizer Sänger Stephan Eicher wohnt längere Zeit in der Colombe d’Or, in einem abgetrennten Häuschen unterhalb des eigentlichen Hotels, um hier Inspiration zu finden. Leider ist dem Aufenthalts kein berühmtes Album zu verdanken.

1986 stirbt Baptistine Roux. François heiratete Danièle. Pitou, die Schwester von François, kümmert sich um die Blumenarrangements. Hélène lebt zwischen New York und Saint-Paul und bringt der Familie die Welt des Tanzes näher. 1994 übernehmen François und Danielle Roux das Kommando in der Colombe d’Or vom Vater Francis. Yvonne Roux verstirbt 2005.

2004 konnte ich im Gästebuch blättern und fand Charles Chaplin neben Mirò. Auf Fotos im Hotel und Restaurant sind Alain Delon, Catherine Allégret, Romy Schneider und Georges Henri Clouzot beim Abendessen verewigt. Ebenso auf Photographien finden sich Carlo Ponti, Sophia Loren und Clouzot, Tyrone Power, David Niven. Orson Welles, Jean Tinguely mit Arman und Francis Roux, Jean Renoir beim Mittagessen auf der Terrasse, Roger Moore und Tony Curtis, Jean-Paul Sartre und Simone Signoret mit dem berühmten „plateau de hors-d’oeuvres“ und dem „panier de crudités“ sowie viele.

Das Restaurant bietet traditionelle Küche. Es ist kein Gourmettempel. Doch auf Grund der einmaligen Atmosphäre mit vielen Kunstwerken und Dutzenden von Blumensträussen lohnt sich der Besuch auf jeden Fall. Das Geschirr ist übrigens mit dem Signet der Colombe d’Orversehen, das eine über dem Dorf fliegende Taube zeigt.

So prosperiert La Colombe d’Or seit vielen Jahren. Heute bietet sie 13 Zimmer und 12 Suiten. Neben Werken von Künstlern von Weltrang zeichnet sich das Hotel durch eine familiäre Atmosphäre aus. Die Zimmer sind rustikal, im Landhausstil eingerichtet. Hier fühlt man sich wohl.

Bei meinem Besuch 2004, kaum auf meinem Zimmer 20 mit Cheminée angekommen, bückte ich mich etwas brüsk, was prompt mit einem Riss – „Schranz“ für uns Schweizer – im Gesäss belohnt wurde. Dies war ein spätes Souvenir der zuvor in Italien zugelegten Kilos. So ein Riss in der Hose, am Freitagabend, mitten auf dem Land, ist kein idealer Start ins Wochenende. Da hilft es, in einem Hotel mit fähigen, polivalenten Angestellten abzusteigen. Nur zehn Minuten nach meinem Missgeschick brachte mir die Zimmerdame Laure bereits mein gutes Stück mit dem Hosenboden zugenäht zurück!

Das gesellige Beisammensein im Restaurant, auf der Terrasse und am Pool begeistert und inspiriert Künstler und normale Sterbliche aus aller Welt. Saint-Paul-de-Vence ist eine Reise wert!

La Colombe d’Or. Saint-Paul de Vence. Vorwort von César, Text von Martine Buchet, Fotos von Prosper Assouline. Editions Assouline, 1993 (2. Aufl. 1995), 143 S. ISBN: 2908228092. Die französische Ausgabe aus dem Jahr 1999 bestellen bei Amazon.fr. Dem ausgezeichneten Buch habe ich viele Informationen zu diesem Artikel entnommen. Zudem habe ich mit den Besitzern 2004 ausführlich gesprochen.

Bücher zu Saint-Paul-de-Vence bei Amazon.de und Amazon.fr.

Microwellen bei Amazon.de. Geschirrspüler bei Amazon.de. Waschmaschinen bei Amazon.de. Laptops bei Amazon.de.

Ansicht der von aussen unscheinbaren Colombe d’Or. Photo Copyright© La Colombe d’Or, Saint-Paul-de-Vence.


Ein Bett in der Colombe d’Or. Photo Copyright © La Colombe d’Or, Saint-Paul-de-Vence.


La Colombe d’Or. Saint-Paul de Vence. Vorwort von César, Text von Martine Buchet, Fotos von Prosper Assouline. Editions Assouline, 1993 (2. Aufl. 1995), 143 S. ISBN: 2908228092. Die französische Ausgabe aus dem Jahr 1999 bestellen bei Amazon.fr. Dem ausgezeichneten Buch habe ich viele Informationen zu diesem Artikel entnommen. Zudem habe ich mit den Besitzern 2004 ausführlich gesprochen.