Chris Potter Underground Orchestra: Imaginary Cities

Jan 25, 2015 at 15:51 1225

Den in Chicago geborenen Jazz-Saxophonisten Chris Potter (*1971) habe ich schon mehrfach mit Genuss live als Sideman gesehen, nicht zuletzt mit dem grossartigen Dave Douglas, mit dem er zum Beispiel auf der CD The Infinite zu hören ist. Daneben hat Chris Potter mit so unterschiedlichen Musikern wie Brad Mehldau, Steely Dan, Steve Swallow und Paul Motian zusammengearbeitet.

Als Leader nimmt er bereits seit Dezember 1992 (Presenting Chris Potter, 1994 erschienen beim Label Criss Cross Jazz) Platten auf. Seine erste Aufnahme als Leader beim Label ECM war das 2013-Album The Sirens (Amazon.de und Amazon.com).

Im Dezember 2013 hat Chris Potter mit seinem neuen Underground Orchestra, das neben ihm aus zehn weiteren Musikern besteht, in den Avator Studios in New York das Album Imaginary Cities (CD bei Amazon.de, MP3 bei Amazon.de) eingespielt. Es ist im Januar 2015 bei ECM herausgekommen, da Manfred Eicher das Album produziert hat. Das Resultat sind über 70 Minuten begeisternde Musik mit ständig wechselnden Stimmungen, kontrastreicher Atmosphäre. Das Booklet ist zwar dick, enthält jedoch nur Fotos und keine Infos zu den Aufnahmen, abgesehen von den Namen der Musiker und der acht aufgenommen (Teil-) Stücke.

Bei Imaginary Cities handelt es sich um Chris Potters Debüt-Album mit seinem neuen, 2013 gegründeten Underground Orchestra. Den Kern der Gruppe bildet sein schon lange bestehendes Underground Quartet mit Adam Rogers (Gitarren), Craig Taborn (Klavier) und Nate Smith (Schlagzeug). Chris Potter selbst spielt auf dem Album neben Tenor- und Sopranosaxophon auch Bassklarinette. Zu diesem Quartett gesellen sich der Vibraphonist und Marimba-Spieler Steve Nelson, mit dem Chris Potter bereits im Dave Holland Quintet zusammengespielt hat, sowie der Cellist David Eggar, die Viola-Spielerin Lois Martin, die Geiger Joyce Hammann und Mark Feldmann, der Bassgitarrist Fima Ephron und der Kontrabassist Scott Colley.

Das Titelstück „Imaginary Cities“ ist eine panoramisch-angelegte Suite in vier Sätzen mit den Titeln „Compassion“, „Dualities“, „Disintegration“ und „Rebuilding“. Die vier weiteren Kompositionen, „Lament“, „Firefly“, „Shadow Self“ und „Sky“, umrahmen die atmosphärenreiche Klangwelt der Suite.

Das erste Stück auf der CD, „Lament“, beginnt als klassische Komposition. Zuerst elegisch, ist es keine eigentliche Wehklage, wie der Titel zu verheissen scheint, denn nach rund 74 Sekunden gesellen sich zu Streichern allmählich alle anderen Instrumente hinzu, wodurch ein Wechsel von der Klassik zum Jazz vollzogen wird. Die Musik wird heller, immer fröhlicher, ja mit dem Saxophon geradezu euphorisch, ekstatisch. Grossartig!

„Compassion“ bildet den Auftakt zur „Imaginary Cities„“-Suite. Der Anfang ist erneut klassisch, ehe nach 80 Sekunden der Jazz durchbricht. Die Stimmung wechselt auch in diesem Stück erneut. Je länger es fortschreitet, je farbenfroher wird es. Chris Potter setzt auf Kontraste, das Einbeziehen aller Musiker, Dialoge, Einflüsse aus aller Welt. Im virtuosen Stück „Dualities“, das allerlei Möglichkeiten zur Selbstdarstellung bietet, so zum Beispiel am Vibraphon, sind verschiedene Stimmungen präsent. „Disintegration“ beginnt nachdenklich mit dem Piano solo, ehe es wieder bunt wird, wobei die Atmosphäre mehrstimmig ist. „Rebuilding“ eröffnet mit einem begeisternden, vorwärtstreibenden Schlagzeug, wobei sich durchaus nachdenkliche Gegenläufe beimischen. Die Suite unterhält kontrast- und farbenreich.

Das bunte „Firefly“, das zuerst eindringliche, dann gelassenere „Shadow Self“ sowie das unterhaltende „Sky“ überzeugen ebenfalls. Imaginary Cities bietet auskomponierte, niedergeschriebene Passagen, die mit Stellen der Freiheit, der Improvisation abwechseln. Die Referenzen reichen von der Klassik über Charlie Parker bis zu Einflüssen aus der Weltmusik. Unterhaltung und Niveau schliessen sich nicht gegenseitig aus!

Chris Potter Underground Orchestra: Imaginary Cities. ECM, 2015. Die CD bestellen bei Amazon.de und Amazon.fr. MP3 bei Amazon.de. Téléchargement MP3 chez Amazon.fr. Weitere CDs von Chris Potter bei Amazon.de.