Elisabeth Leonskaja

Jul 10, 2014 at 15:54 2518

Die Komponisten des Albums Paris

Der Pianistin Elisabeth Leonskaja hat im Oktober 2013 mit Paris ein bemerkenswertes, gut 57minütiges Album vorgelegt. Die CD gewann den 2014 International Classical Music Award (ICMA) für ein Solo-Instrument.

Im Begleitheft zu Paris legt Carmen Delia Romero dar, warum es bei diesem Album geht: Um die Musik der Belle Epoque. Claude Debussy bewunderte Richard Wagner, Edgar Allan Poe, die Präraffaeliten und vor allem die Symbolisten um Stéphane Mallarmé, dessen Kreis er angehörte und der sich wöchentlich traf. Die Schriftsteller seiner Zeit beeinflussten ihn mehr als die Musiker.

Maurice Ravel hingegen gehörte zu jenen Künstlern, die Paris vom Einfluss Wagners entgiften wollten. Gabriel Fauré war sein Lehrer, Erik Satie sein Freund, der Pianist Ricardo Viñes sein bester Freund. Ravel verkehrte in einem Kreis bestehend aus dem Komponisten Florent Schmitt, dem Schriftsteller Léonard Fargue, seinem Pianistenfreund Viñes, dem Dirigenten Maurice Delage, der sein erster Schüler werden sollte, und anderen. Sie teilten die Begeisterung für Mallarmé und Verlaine aus Debussys Kreis. Die chinesische Kunst, Chopin, Couperin, Whistler und Debussy standen bei ihnen ebenfalls hoch im Kurs. Wie Debussy, so war auch Ravel weniger von den Musikern seiner Zeit beeinflusst als vom exzentrischen Fargue, der ihn in die Literatur einführte, und von Paul Sorde, einem sensiblen Träumer.

George Enescu kam 1895 mit 14 Jahren aus Rumänien ans Pariser Konservatorium. Er war ein Geiger mit einer bereits beachtenswerten Karriere. Er wurde vom Komponisten Jules Massenet angezogen, der von Brahms und Wagner beeinflusst war. 1896 verliess Massenet die Kompositionsklasse und wurde durch Fauré ersetzt, dessen Klasse Ravel, Schmitt und andere vereinte. Für Enescu war neben Massenet Professor André Gédalge wichtig, bei dem er sich mit dem Kontrapunkt auseinandersetzte. Polyphonie bezeichnete Enescu als „das Grundprinzip meiner musikalischen Sprache“.

Trotz entgegengesetztem Musikgeschmack und unterschiedlichem Temperament wurden Enescu und Ravel Freunde. Sie wohnten gemeinsam der Generalprobe zu Debussys Pelléas et Mélisande bei. Enescu, obwohl fasziniert, empfand Debussys musikalische Sprache als zu künstlich, während dem Ravel begeistert war.

Im Paris der Belle Epoque gab es vereinfachend drei Gruppen: Die Fauréianer mit Ravel und anderen, die traditionalistischen Anhänger von Vincent d’Indy, die dem Konservatorium und Fauré feindselig gegenüberstanden und zurück zur frühen Chormusik und Polyphonie, zurück zur ihrer Meinung nach nationalen Tradition wollten, sowie die Debussyaner, die von Indys Anhängern als schädliche Modernisten betrachtet wurden, jedoch mit dem Kreis um d’Indy einige Meinungen zum Konservatorium und zu Fauré teilten. Das führte zur Gründung einer unabhängigen Musikgesellschaft in Paris unter Präsident Fauré. Enescu, obwohl er Fauré treu blieb, schlug sich in diesem Streit nie klar auf eine Seite.

Elisabeth Leonskajas Interpretation der Stücke auf Paris

Elisabeth Leonskaja artikuliert die Musik auf Paris präzise, ohne es wegen der Genauigkeit an Farbe und Sensibilität fehlen zu lassen.Maurice Ravels Valses nobles et sentimentales (Musiknoten von Ravel) interpretiert sie mit grosser Klarheit, Sensibilität und einer Spur Nostalgie.

Elisabeth Leonskaja spielte George Enescus Sonata Op. 24, Nr. 1 aus dem Jahr 1924 bereits als 18jährige Studentin beim Enescu-Klavierwettbewerb – und gewann damit internationale Anerkennung. 2013 kann die Pianistin noch immer mit der selten gespielten Sonate brillieren, indem sie diese in ihrer Komplexität ausleuchtet und je nachdem Spannung, Attacke, Flexibilität und Gefühl bietet.

Der gebürtige Rumäne George Enescu (Musiknoten von Enescu) begann mit 14 Jahren am Pariser Konservatorium zu studieren. Er war ein Schüler von Gabriel Fauré, der wiederum bei Camille Saint-Saëns studiert hatte. Ein Stück von Enescu gehört als sehr wohl auf die CD Paris. Seine Sonate Op. 24 fügt dem Pariser Geist eine Prise rumänischer Volksmusik hinzu. Obwohl gut ein Jahrzehnt nach den Werken von Ravel und Debussy auf diesem Album geschrieben, sind Anklänge an diese zwei Komponisten in Enescus Sonate ebenso unüberhörbar wie Kindheitserinnerungen des Rumänen an sein Geburtsland.

Claude Debussys Préludes pour piano (Musiknoten von Debussy) spielt die Pianistin nicht zu verspielt, sondern relativ zurückhaltend und klar und gleichzeitig sensibel. Debussy sah sich ja nicht als Impressionist, sondern wollte in seiner Musik den Dingen auf den Grund gehen, wie Carmen Delia Romero im CD-Begleitheft darlegt.

Elisabeth Leonskaja ist eine jener Pianistinnen, die durch ihre Musik etwas zu sagen haben, wie sie zurecht selbst erst kürzlich in einem ihrer seltenen Interviews selbstbewusst bemerkte. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Elisabeth Leonsjaka. Photos Copyright © Julia Weseley.

Biografie von Elisabeth Leonskaja

Die russische Pianistin Elisabeth Leonskaja wurde am 23. November 1945 in Tiflis (Tbilissi), der Hauptstadt der damaligen Sowjetrepublik Georgien, geboren. Sie fing mit sieben Jahren an, Klavier zu spielen, was sie als ganz normal für ein sowjetisches Kind bezeichnet. Der Impuls kam von ihrer jüdischen Mutter, die Gesang und Klavier studiert hatte.

Die Pianistin war ein Wunderkind, das schon mit elf Jahren erste Konzerte gab. Elisabeth Leonskaja gehört klar zur russischen Pianistenschule. Sie studierte bei Jacob Milstein am Moskauer Konservatorium. Dort traf sie auf herausragende Künstler wie die Pianisten Swjatoslaw Richter, Emil Gilels, den Geiger David Oistrach und den Dirigenten Kyrill Kondraschin, die sie natürlich nicht nur als Lehrer erlebte, sondern am Abend zudem als Künstler auf der Bühne bewundern konnte. Noch als Studentin gewann Elisabeth Leonskaja Preise bei den George Enescu-, Marguerite Long- und Queen Elisabeth-Klavierwettbewerben.

Über ihren damaligen Mann, den Geiger Oleg Kagan, lernte sie in Moskau noch als Studentin Swjatoslaw Richter kennen. Dieser erkannte ihr Talent und wurde zu ihrem Förderer. Doch dann durfte sie nach Wien ausreisen, und das bereits geplante Konzert mit Richter konnte sie erst dreizehn Jahre später nachholen. Sie blieben in Kontakt und besuchten einander oft. Sie bezeichnet den grossen Pianisten als bedeutenden Einfluss. Das kommt nicht von ungefähr, denn sie wurde zu seinem Duopartner. Die musikalische und persönliche Freundschaft mit Swjatoslaw Richter hielt bis zu dessen Tod 1997. Mit ihm teilt sie das bescheidene, zurückhaltende Wesen. Sie ist kein Showstar, sondern eine Künstlerin ohne Allüren.

Seit 1978 lebt Elisabeth Leonskaja in Wien. Dort hatte sie zuvor bereits dreimal konzertiert. Zudem hatte sie in der Schule deutsch gelernt. Als Russin mit einer jüdischen Mutter dachte sie daran, über Wien nach Israel zu gehen, doch blieb sie in der österreichischen Hauptstadt hängen.

Die Pianistin wurde im Westen schlagartig durch ihren bemerkenswerten Auftritt bei den Salzburger Festspielen 1979 bekannt. Seither trat sie mit fast allen führenden Orchestern der Welt auf, darunter dem New York Philharmonic Orchestra, dem BBC Orchestra London, dem Tonhalle Orchester Zürich, dem Leipziger Gewandhausorchester, etc. Sie arbeitete mit vielen bedeutenden Dirigenten, darunter Kurt Masur, Sir Colin Davis, Christoph Eschenbach, Christoph von Dohnany, Mariss Jansons und anderen. Bemerkenswert waren ihre Klavierduette mit Swjatoslaw Richter. Elisabeth Leonskaja trat und tritt regelmässig als Kammermusikerin auf, so mit dem Alban Berg Quartett, dem Emerson Quartett, dem Borodin Quartett und dem Artemis Quartett. Die Pianistin war unter anderen bei den Salzburger Festspielen, den Wiener Festwochen, dem Lucerne Festival, vielen anderen Festivals sowie in den meisten grossen Konzertsälen dieser Welt zu Gast.


Elisabeth Leonskaja, Borodin Quartet: Shostakovich Piano Quintet & Piano Trio No. 2. Teldec (Warner), 1996. Die CD mit dem Klavierquintett und -Trio bestellen bei Amazon.de. Weitere CDs mit Elisabeth Leonskaja bei Amazon.de und Amazon.com.

Konzerte mit Elisabeth Leonskaja

Elisabeth Leonskaja und das Borodin-Quartett waren im Sommer 2002 zusammen in der Tonhalle Zürich zu Gast. Zuerst spielte die PianistinSchostakowitschs Klaviersonate in h-Moll Nr. 2 op. 61. Danach trat das Borodin-Quartett mit Beethovens Fuge in B-Dur op. 133 auf. Zum Schluss waren die Pianistin und das Quartett zusammen mitSchostakowitschs Klavierquintett in g-Moll op. 57 zu hören. Harte, ja kompromisslose Klänge, Kontraste und dann wieder die Einheit im Quintett begeisterten die Zuhörer in der Tonhalle.

Im November 2002 war Elisabeth Leonskaja in der Tonhalle Zürich als Solistin zu Gast. Die Pianistin spielte zuerst Debussys Suite pour le piano, dann Prokofjews A-Dur-Sonate op. 82 und schliesslich Schumanns fis-Moll-Sonate op. 11, einem „einzigen Herzensschrei nach Dir“, so Schumann in einem berührenden Brief an seine später Frau Clara. Die Stärke von Elisabeth Leonskajas Spiel beruhte auf starker Rhythmik und schlichter Zurückhaltung. Billige Effekthascherei war und ist nicht die Sache der Pianistin russischer Schule.

Elisabeth Leonskaja: Paris. Mit Musik von Maurice Ravel (Valses nobles et sentimentales), George Enescu (Sonate op. 24, no. 1) und Claude Debussy (Préludes pour piano). eaSonus, Oktober 2013. Die CD bestellen bei Amazon.deAmazon.co.ukAmazon.com. Musiknoten von Maurice Ravel. Musiknoten von George Enescu. Musiknoten von Claude Debussy.

[Hinzugefügt am 11.3.2016: Neu von Elisabeth Leonskaja: Franz Schubert – die späten Klaviersonaten. 48seitiges, 28cm x 28cm Buch mit 4 CDs sowie einer DVD, die Elisabeth Leonskaja mit Sviatoslav Richter bei ihrem legendären Duo-Recital 1993 in Moskau zeigt. Das Paket mit Buch, CDs und DVD erscheint zum 70. Geburtstag der Pianistin und erfreut jedes Sammlerherz. Bestellen bei Amazon.deAmazon.co.uk und Amazon.fr. Musiknoten von Franz Schubert].

Elisabeth Leonskaja. Photos Copyright © Marco Borggreve. CDs mit Elisabeth Leonskaja bei Amazon.de und Amazon.com. Weitere CDs mit Elisabeth Leonskaja bei Amazon.de und Amazon.com.

Elisabeth Leonskaja, Sviatoslav Richter: Mozart and Grieg. Piano sonatas with freely added accompaniment for a second piano. Teldec (Warner), 1996. Die Klavierduette bestellen bei Amazon.de.


Elisabeth Leonskaja. Photos Copyright © Julia Weseley. CDs mit Elisabeth Leonskaja bei Amazon.de und Amazon.com.

Elisabeth Leonsjaka. Photos Copyright © Julia Weseley. CDs mit Elisabeth Leonskaja bei Amazon.de und Amazon.com.


Elisabeth Leonskaja. Foto Copyright © Marco Borggreve. CDs mit Elisabeth Leonskaja bei Amazon.de und Amazon.com. Weitere CDs mit Elisabeth Leonskaja bei Amazon.de und Amazon.com. Musiknoten vonRavelEnescu und Debussy.